37 - Satan und Ischariot I
dieser ihn betrügen will. Der ‚Starke Büffel‘ ist ein sehr tapferer Häuptling, aber seinem Auge fehlt die Schärfe, und seine Gedanken reichen nur so weit, wie er den Tomahawk werfen kann. Sein Zorn ist schnell groß und schnell wieder klein. Sein Herz ist gut; er wird Old Shatterhand um Verzeihung bitten.“
Wenn Winnetou sprach, so mußte jeder Zorn weichen und jedes etwaige Gekränktsein sich beschwichtigen. Er beobachtete das Lager, in welchem sich die Aufregung jetzt gelegt hatte. Die Yumas standen in ruhiger Verhandlung beisammen und wendeten sich bald nach dieser, bald nach jener Seite, um unsere Aufstellung zu betrachten. Noch war die halbe Stunde nicht vergangen, so kehrte einer der drei Boten zurück und meldete:
„Die drei ältesten Yumakrieger wünschen, Old Shatterhand, Winnetou und den ‚Starken Büffel‘ zu sprechen. Dürfen sie kommen?“
„Ja, aber unbewaffnet.“
„Und werden sie, auch wenn ihr nicht einig werdet und sie lieber kämpfen wollen, nach dem Lager zurückkehren dürfen, ohne daß ihnen etwas geschieht?“
„Sie sind Abgesandte; sie können gehen, woher sie gekommen sind.“
Der Mann lief nach dem Lager, um diesen Bescheid zu überbringen; und bald darauf sahen wir die drei Angemeldeten kommen. Sie hatten ihre Decken und sogar die Oberkleider abgelegt, damit wir sehen sollten, daß sie nicht etwa eine Waffe versteckt bei sich trugen. Der ‚Starke Büffel‘ hatte, als er sah, um was es sich handelte, sich uns wieder zugesellt.
Die drei gingen an ihrem Häuptling vorüber, ohne einen Blick auf ihn zu werfen, was aber keineswegs ein Zeichen der Verachtung war. Sie kamen jetzt als Bevollmächtigte ihrer Kameraden, weshalb es in diesem Augenblick keinen Häuptling für sie gab. Bei uns dreien stehen bleibend und sich leicht verneigend, grüßten sie uns, dann wandte sich der eine, welcher wahrscheinlich der älteste von ihnen war, mit den höflichen Worten an mich:
„Der ‚Große Mund‘, der Häuptling der Yumas, ist gefangen und hat uns befohlen, uns auch zu ergeben. Old Shatterhand hat die Bedingungen mit ihm besprochen. Soweit das Gedächtnis unserer ältesten Krieger reicht, ist ein solcher Fall nicht vorgekommen; darum sind die Yumas zusammengetreten, um ohne ihren Häuptling einen Entschluß zu fassen, und haben uns zu dir gesandt, um uns zu überzeugen, ob der Befehl, den wir erhalten haben, nicht abzuändern ist. Wirst du mit deinen beiden berühmten roten Brüdern uns die Erlaubnis geben, die Krieger zu sehen, welche uns eingeschlossen haben und wie sie aufgestellt worden und bewaffnet sind?“
„Kein Anführer zeigt dem Feind das, was ihr zu sehen begehrt“, antwortete ich ihnen. „Auch ist soeben die Zeit vorüber, welche ich euch gegönnt habe; ich hätte also das Recht, das Feuer beginnen zu lassen; aber ich achte eure Gründe und weiß, daß es für euch keine Rettung gibt; darum sei euch euer Wunsch erfüllt. Winnetou, der große Häuptling der Apachen, wird euch unter seine Obhut nehmen, damit euch unterwegs kein Leid geschieht. Geht also jetzt und kehrt nach einer Viertelstunde wieder, um mir euern Entschluß mitzuteilen. Das ist die letzte Frist, welche ich euch geben kann.“
Sie wendeten sich ab, um Winnetou zu folgen, der ihren Führer machte. Sie gingen unsere ganze Linie, auch die im Wald liegende, ab. Als sie zurückkehrten, kämpfte das Tagesgrauen schon mit dem Mondlicht. Auch in den Gesichtern der drei Männer gab es einen Kampf, dessen äußere Spuren sie nicht sehen lassen wollten und doch nicht ganz zu unterdrücken vermochten; es war der Kampf zwischen Stolz und Notwendigkeit. Sie blieben mit gesenkten Blicken eine Weile schweigend vor uns stehen; dann sagte derjenige, welcher schon vorher gesprochen hatte:
„Old Shatterhand befand sich in unserer Gewalt, und es ist ihm doch nichts geschehen. Wird er jetzt nun seine ganze Strenge gegen uns walten lassen?“
„Daß mir nichts gesehen ist, das habe ich nicht euch zu verdanken. Was nützen die Worte? Die Krieger der Yumas mögen mir sagen, was sie beschlossen haben!“
„Wir haben erkannt, daß der ‚Große Mund‘, unser Häuptling, nicht anders beschließen konnte, als er beschlossen hat. Die Läufe eurer Gewehre sind von allen Seiten auf uns gerichtet, und unsere Pferde, deren Schnelligkeit uns hätte forttragen können, habt ihr uns genommen, während wir schliefen.“
„So ergebt ihr euch?“
„Wir sind deine Gefangenen.“
Er betonte das Wort ‚deine‘ besonders,
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