37 - Satan und Ischariot I
er bei uns finden. Zunächst werden wir ihm die Hände und Füße zerbrechen, wie er die Hände meines weißen Freundes Melton zerbrochen hat.“
Er sah mich forschend an, um zu beobachten, was diese Ankündigung für einen Eindruck auf mich machen werde.
„Das ist gut!“ antwortete ich, indem ich lächelnd nickte.
„Dann werden wir ihm die Muskeln der Arme und Beine durchstechen und ihm die Nägel von den Fingern und Zehen reißen!“
„Darauf freue ich mich!“
„Nachher skalpieren wir ihn bei lebendigem Leibe!“
„Sehr richtig, denn wenn ich tot wäre, würde ich es nicht fühlen.“
„Dazwischen lassen wir die Wunden stets wieder heilen, damit er stark für neue Martern werde.“
„Das ist mir lieb, weil ich sonst die neuen vielleicht nicht gut vertragen würde.“
„Spotte nicht! Die Lust zum Spott wird dir bald vergehen, denn ich sage dir, daß wir dir die Hände abschneiden werden!“
„Alle beide?“
„Ja. Dann schneiden wir dir die Augenlider weg, so daß du nicht schlafen kannst.“
„Weiter!“
„Wir stellen deine Füße in das Feuer, um das Fleisch von den Knochen zu braten. Wir hängen dich an den Beinen auf; wir werfen dich mit Messern; wir –“
„Halt ein!“ unterbrach ich ihn, indem ich, um ihn zu ärgern, laut auflachte. „Ihr werdet von alledem nichts, gar nichts machen. Und wenn ihr tausend Krieger zähltet, so wäret ihr doch zu wenig, Old Shatterhand ein Leid zu tun. Dazu gehören ganz andere Leute. Du hast mich vorhin mit dem Frosch verglichen, den wir hörten; ich könnte euch mit noch ganz anderen, viel widerwärtigeren Tieren vergleichen, will es aber nicht tun; doch das muß ich euch sagen, daß ihr euch vielmehr vor mir zu fürchten habt als ich mich vor euch.“
In diesem Augenblick gab der Mimbrenjoknabe sein drittes Zeichen. Der Häuptling antwortete wütend, da er mir ansah, daß ich nicht im Hohn, sondern im vollsten Ernst, mit voller Überzeugung gesprochen hatte:
„Hörst du ihn da drüben wieder quaken? So quakst du auch. Du sollst bald sehen, wer sich zu fürchten hat. Ich werde von jetzt an strenger sein, um dir die Lust zu nehmen, deine Rettung für möglich zu halten. So wahr du die Stimme des Frosches hörst, so wahr bist du verloren!“
„Du irrst, denn so wahr sich sie hörte, so wahr ist's, daß ihr mir nichts zu tun vermögt!“
„Wohlan, ich will es dir beweisen. Von jetzt an sollst du stets, wenn du nicht zu Pferd bist, eingebunden werden. Dann siehe zu, wie du zu entkommen vermagst. Bindet seine Hände los und gebt ihm sein Fleisch; dann will ich ihn in die Decke rollen. Von jetzt an werde ich das stets selbst tun, damit diesem Hund jeder Schein von Hoffnung vergehen möge!“
Er war fast außer sich darüber, daß ich so ruhig blieb und trotz meiner Gefangenschaft seine Übermacht leugnete. Ich trieb eigentlich, indem ich von meinem Entkommen gesprochen hatte, ein gewagtes Spiel, hatte aber dabei die feste Zuversicht, daß ich die Partie nicht verlieren, sondern gewinnen würde.
Einer der Wächter holte mein Fleisch; die anderen nahmen mir die Riemen von den Händen. Der Augenblick des Handelns, der Entscheidung war nahe. Trotzdem war ich innerlich und äußerlich vollständig ruhig. Und das muß so sein. Wer in einem solchen Moment wankt und zittert, der kommt wohl schwerlich glücklich über ihn hinweg.
Man hatte mir meine Portion Magerfleisch in lange, dünne Streifen geschnitten, welche ich mit den Zähnen leicht in Bissen trennen konnte, ohne ein Messer zu brauchen. Das tat ich denn auch so langsam und behaglich, als ob ich mit weiter nichts als mit meinem Appetit beschäftigt sei; ich hatte mich dabei in sitzende Stellung aufgerichtet und hielt die Beine und Füße so, daß ich alle Schlingungen der Riemen mit einem einzigen Mal erreichen und zerschneiden konnte. Zwei Schnitte hätten wohl schon zuviel Zeit erfordert, obwohl es sich dabei nur um Sekunden handelte. Das Leben hing von halben Momenten ab.
Der Häuptling beobachtete mich mit finsterer Miene. Meine absichtlich zu Schau getragene Behaglichkeit empörte ihn, und er nahm sich gewiß vor, mich nachher durch äußerst festes Zusammenschnüren meiner Glieder dafür zu bestrafen.
„Mach schneller!“ gebot er mir. „Ich habe keine Zeit, auf dich solange zu warten!“
Um die nötige Zeit zum Vornüberbeugen des Oberkörpers und Hervorholen des Messers zu gewinnen, ließ ich, scheinbar erschrocken über diese ebenso plötzliche wie scharfe Anrede, das Fleisch aus
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