38 - Satan und Ischariot II
dich begleiten!“
„Das wollten sie auch; aber sie mußten daheim bleiben, weil es plötzlich eine Fehde gab mit den Soldaten des Pascha. Mein Herr und mein Vater hätten für immer als Feiglinge gegolten, wenn sie mit uns gegangen wären.“
„So hättet ihr mit der Wallfahrt warten sollen, bis die Fehde ausgetragen war.“
„Das ging ja nicht. Wir hatten gelobt, an dem bestimmten Jom ed dschuma (Freitag) die Wanderung zu beginnen, und durften dieses Gelübde nicht brechen. Wir kannten die Gefahr, welche uns durch die Uled Ayun drohte, und machten deshalb einen Umweg nach Süden, welcher uns durch das Gebiet der Meidscheri führt, die mit uns befreundet sind.“
„Warum habt ihr den Weg nicht auch zurück gemacht?“
„Mein Begleiter war alt und schwach; die Wanderung hatte ihn ermüdet, und er glaubte, den Umweg nicht aushalten zu können; darum schlugen wir die gerade Richtung ein.“
„Das war eine große Unvorsichtigkeit. Der Greis ist zwar alt, aber doch nicht weise gewesen. Seine Schwäche war kein Grund, den Umweg zu vermeiden, denn er hätte sich bei den Meidscheri, euern Freunden, ausruhen und erholen können.“
„Ich sagte ihm dasselbe; aber er antwortete mir, daß nach dem Koran und allen seinen Auslegungen Pilger unantastbar sind und daß während einer Wallfahrt jede Feindschaft zu schweigen hat.“
„Ich kenne das Gesetz; es bezieht sich nur auf die Wallfahrt nach Mekka, Medina und Jerusalem, nicht aber auf andere fromme Wanderungen, und es gibt Tausende, die sich selbst während der großen Hadsch nicht nach demselben richten.“
„Das habe ich nicht gewußt, sonst hätte ich mich geweigert, meinem Führer rückwärts auf dem gefährlichen Weg zu folgen. Er schien auch selber zweifelhaft zu sein, denn wir ruhten des Tages und gingen nur des Nachts, bis wir an allen Zelten und Lagern der Uled Ayun vorüber waren.“
„Und dann fühltet ihr euch sicher und wurdet unvorsichtig?“
„Ja. Wir befanden uns zwar noch immer auf feindlichem Gebiet, doch war es bis zu dem unserigen nicht mehr weit; darum wanderten wir zuletzt auch am Tag.“
„Ihr habt nicht daran gedacht, daß da, wo zwei feindliche Gebiete zusammenstoßen, die Gefahr am größten ist. Mitten im Feindesland ist man oft sicherer als an der Grenze. Das hast zu leider zur Genüge erfahren.“
„Ja, Allah hat uns den falschen Weg gehen lassen, weil es im Buch des Lebens so verzeichnet war. Als wir an diese Stelle kamen, wurden wir von den Uled Ayun überfallen. Sie stachen mit Spießen und Messern nach meinem Begleiter, schossen ihm Kugeln durch den Kopf und raubten ihm die Kleider und wenigen Sachen, welche der arme Mann bei sich trug. Mich aber gruben sie ein, damit ich, wie sie sagten, mich an dem Anblick der Leiche weiden und dann auch von den Geiern gefressen werden möge. Wäre mein Kind nicht blind gewesen, so hätten sie es auch getötet, weil es ein Knabe ist.“
„Wann ist dies geschehen?“
„Vor zwei Tagen.“
„Schrecklich! Was hast du da ausstehen müssen!“
„Ja. Allah verfluche sie und stoße sie in den tiefsten Grund der Hölle hinab! Ich habe Qualen ausgestanden, welche nicht zu beschreiben sind, um mich und noch viel, viel mehr um mein Kind. Ich konnte ihm nicht helfen. Es lag vor mir im Sonnenbrand und im Dunkel der Nacht, ohne daß ich es berühren oder beschützen konnte, weil meine Arme mit eingegraben waren. Und dort lag der Greis, der Gute und Ehrwürdige. Die Geier kamen und zerrissen ihn; ich mußte es sehen; es war entsetzlich. Dann kamen sie zu mir und zu meinem Kind; ich konnte mich nicht bewegen und vermochte nur, sie durch die Stimme zu verscheuchen. Ich habe mich heiser geschrien; aber sie merkten nach und nach, daß ich mich nicht verteidigen konnte; sie wurden immer zudringlicher, und wenn du nicht gekommen wärst, hätten sie gewiß noch vor Abend ihre Schnäbel und Krallen in meinen Kopf und in mein armes Kind geschlagen.“
Sie drückte das letztere wieder und wieder an sich und weinte dazu, mehr vor Aufregung, als vor augenblicklichem Schmerz.
„Tröste dich!“ bat ich. „Allah hat dich sehr geprüft; nun aber ist dein Leid zu Ende. Wäre der Greis eine Person gewesen, welche deinem Herzen nahe stand, so hättest du noch viel mehr gelitten. Du wirst dich aber von den Qualen, welche du ausgestanden hat, erholen; es lebt dein Kind, und wenn du heimkommst, hast du nichts Liebes verloren und wirst von der Freude und dem Entzücken der Deinen empfangen.“
„Du hast
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