Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Winnetou gegen Südwest davon, während ich mich nach Südost wendete. Ich war ganz so wie er überzeugt, daß die Uled Ayar wohl kaum versäumt hatten, uns Spione entgegenzusenden; es galt also, denselben zuvorzukommen, sie zu entdecken oder zu ergreifen.
    Mein Henneschah-Hengst rechtfertigte das Vertrauen, welches ich in ihn gesetzt hatte. Wenn er auch das nicht war, was mein bekannter Rappenhengst Rih gewesen war, so mußte ich mir doch sagen, das er das zweitbeste Pferd unserer Truppe sei; das beste ritt nämlich selbstverständlich Krüger-Bei, einen Schimmel, den er sich aus dem Marstall des Pascha von Tunis genommen hatte.
    Wir flogen nur so über die sandige Ebene, und dabei hatte ich den Blick immer voraus und nach beiden Seiten, um irgendeine Begegnung womöglich eher zu bemerken, als ich gesehen wurde. Es verging eine halbe Stunde, in welcher ich wenigstens eine deutsche Meile zurückgelegt hatte; ich ritt eine zweite Meile und dann noch eine dritte, ohne etwas zu sehen, und wollte mich eben wieder nach rechts wenden, um, unserem Zug voraus, mit Emery zusammenzutreffen, als ich mehrere bewegliche Punkte bemerkte, welche in größerer Entfernung von mir abwechselnd sich auf dem Boden befanden, in die Höhe gingen und dann sich wieder auf die Erde niedersenkten. Aus der Art ihrer Bewegung schloß ich, daß es Geier seien; wo aber Geier sind, da gibt es Aas. Aas in dieser Entfernung vom Verkehrs- oder Karawanenweg, das mußte mir auffallen. Ich ritt auf die betreffende Stelle zu.
    Als ich noch weit über hundert, vielleicht zweihundert Pferdelängen davon entfernt war, glaubte ich, eine menschliche Stimme zu vernehmen. Dann, als ich die Hälfte dieser Entfernung zurückgelegt hatte, hörte ich ganz deutlich den Ruf:
    „Meded, meded! Ja Allah, ta'al, ta'al – zu Hilfe, zu Hilfe! O Gott, komm, komm!“
    Es war eine weibliche Stimme. Und nun sah ich deutlich einen Gegenstand, der eine menschliche Gestalt zu sein schien und an welchem mehrere Geier herumzerrten und hackten. Kurz hinter dieser Stelle saßen weitere Geier, welche etwas anderes gierig zu betrachten schienen, sich aber bei meinem Nahen in die Luft erhoben; auch die anderen Vögel flogen, als ich nahe genug herangekommen war, davon, um sich gar nicht weit davon wieder niederzulassen.
    Ja, es war ein menschlicher Körper, an welchem sie gefressen hatten; das sah ich jetzt ganz deutlich. Die Stimme, welche aus der Erde zu kommen schien, rief jetzt:
    „Betidschi, betidschi; subhan Allah! – Du kommst, du kommst; Allah sei gepriesen!“
    Nun hielt ich da, wo die Stimme ertönte. Ein Kopf sah aus dem Sand, ein menschlicher Kopf! Ob es ein männlicher oder ein weiblicher sei, war nicht zu unterscheiden, denn das Gesicht war so verschwollen, daß die Züge nicht zu erkennen waren, und ein blaues Tuch bedeckte das Haar. Vor dem Kopf lag ein mit einem Hemd bekleidetes Kind, welches die Augen geschlossen hielt und sich nicht bewegte; es mochte wenig über ein Jahr alt sein. Die Leiche, von welcher die Geier gefressen hatten, lag nur zehn Schritte entfernt; sie bestand fast nur noch aus den Knochen, welche aber auch schon auseinandergerissen waren.
    Mich schauderte. Ich sprang vom Pferd und bückte mich zu dem Kopf nieder; er hatte jetzt die Augen zu; die Person, der er gehörte, war ohnmächtig geworden. Das war mir zunächst lieb, da ich meine Hilfeleistung besser vornehmen konnte. Um das Kind und das abgenagte Gerippe bekümmerte ich mich zunächst nicht; der oder die Eingegrabene bedurfte meiner Hilfe weit mehr. Ich lüftete das Kopftuch und sah ein zusammengewickeltes, langes, weibliches Haar darunter. Es war eine Frau!
    Wie sie nun ohne passende Werkzeuge schnell ausgraben! Ich nahm die Hände. Der Boden war festgetreten worden, aber als ich tiefer kam, wurde er lockerer. Glücklicherweise bemerkte ich bald, daß man ihr eine sitzende Stellung gegeben hatte. Im anderen Fall hätte man das Loch tiefer machen müssen, und das war den Buben, welche das arme Weib hier eingegraben hatten, doch zu viel Mühe gewesen. Mir wurde dadurch die Arbeit erleichtert. Als ich den Oberkörper ziemlich befreit hatte, brauchte ich nur noch ein wenig von der Sanddecke, welche auf den Beinen lag, zu entfernen und konnte dann die ganze Gestalt hervorziehen.
    Die Frau war, als ich sie nun niederlegte, noch immer ohnmächtig; sie war nur mit einem hemdartigen Gewand bekleidet, wie es von armen Beduininnen getragen wird; das Gesicht hatte sich ein wenig zum Besseren

Weitere Kostenlose Bücher