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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Unterhändler komme. Ich ließ durch ihn den Scheik bitten, zu mir zu kommen, und gab ihm das Versprechen, daß er, sobald es ihm beliebe, zu den Seinen zurückkehren könne. Doch sollte er seinen Uled Ayar den Befehl geben, daß sie sich bis zu seiner Rückkehr jeder Feindseligkeit zu enthalten hätten.
    Ich sah den Boten im Gedränge der Feinde verschwinden. Es dauerte wohl zehn Minuten; dann öffnete sich die Menge, und er erschien wieder; an seiner Seite kam der Scheik geschritten. Er hatte also das Vertrauen zu mir, daß ich mein Versprechen halten würde. Als er näher gekommen war, ging ich ihm der Höflichkeit halber eine kleine Strecke entgegen, legte beide Hände auf die Brust, verbeugte mich und sagte:
    „Sei willkommen, o Scheik der Uled Ayar! Du wolltest mich gestern, als ich dein Gefangener war, nicht zu dir sprechen lassen. Darum bin ich aus deinem Lager gegangen, um dich jetzt als freier Mann zu bitten, heute mit mir zu reden.“
    Er verbeugte sich ebenfalls und antwortete:
    „Ich grüße dich! Du hast mir freies Geleit geboten und wirst dein Versprechen halten?“
    „Ja. Du kannst gehen, sobald du willst, denn ich bringe dir den Frieden.“
    „Dafür willst du Steuern!“
    „Nein.“
    „Nicht?“ fragte er erstaunt. „Seid ihr nicht deshalb als Feinde zu uns gekommen, um uns das, was uns von unseren Herden übriggeblieben ist, vollends zu nehmen?“
    „Ihr habt Mohammed es Sadok Pascha versprochen, die Kopfsteuern zu zahlen, aber nicht Wort gehalten. Es ist sein Recht, das, was ihr ihm verweigert, mit Gewalt zu nehmen; ihr werdet also zahlen müssen; aber ich bin nicht dein Feind, sondern dein Freund und will dir sagen, wie du die Steuer bezahlen kannst, ohne daß du ein einziges Haar eurer Herden anzurühren und wegzugeben brauchst.“
    „Allah ist groß und barmherzig! Wenn deine Worte wahr sind, so bist du allerdings mein Freund und nicht ein Feind von uns!“
    „Ich habe die Wahrheit gesprochen. Habe die Güte, dich zu mir zu setzen, so wirst du hören, welchen Vorschlag ich dir zu machen habe.“
    „Deine Rede duftet wie Balsam. Die Erde, auf welcher zu sitzt, soll auch meinen Gliedern Ruhe geben.“
    Es wurden zwei Gebetsteppiche nebeneinander gelegt; er setzte sich auf den einen, ich mich auf den anderen. Der Beduine überstürzt nichts. Unsere Würde erforderte, zunächst eine Pause zu machen. Während derselben musterte ich die Schlucht mit allem, was sie enthielt; er aber verwendete kein Auge von mir und begann endlich:
    „Der Herr der Heerscharen hat mir gestern von dir erzählt, Effendi. Ich habe erfahren, was du erlebt und getan hast; aber er hat mir nicht gesagt, daß du auch ein Meister in der Zauberei bist.“
    „Wieso?“
    „Du lagst gefesselt und angebunden in deinem Zelt. Dein Wächter ist in dieser Nacht zwölfmal in demselben gewesen und hat dich und deine Fesseln betastet, um zu wissen, daß du noch vorhanden seiest. Nur ganz kurze Zeit vor dem Morgengebet war er zum letztenmal bei dir. Und jetzt sitzest du hier und redest zu mir als freier Mann! Ist das nicht Zauber?“
    „Nein. Hat der Wächter denn gewußt, daß ich es war, den er bewachte?“
    Dieser Zauber war sehr leicht zu erklären. Ich hatte Winnetou die Hände nicht fest zusammengebunden. Als er mein Zeichen hörte, hatte er die Fesseln abgestreift, sich vom Pfahl losgemacht und in seiner unvergleichlichen Weise aus dem Lager geschlichen. Jedenfalls befand er sich jetzt vorn am Eingang der Schlucht bei der ersten Schwadron. Da ich es nicht für nötig hielt, dem Scheik diese Erklärung mitzuteilen, ließ ich ihn bei seinem Wunderglauben und sagte:
    „Du magst daraus ersehen, daß es besser gewesen wäre, wenn du mir schon gestern dein Ohr gegönnt hättest. Ist jemand von euch von den Schüssen unserer Soldaten verwundet oder getötet worden?“
    „Nein.“
    „Das ist gut! Ich hatte Befehl gegeben, in die Luft zu schießen. Erst wenn meine Unterredung mit dir vergeblich sein sollte, werden wir euch unsere Kugeln geben. Doch hoffe ich, daß du uns nicht zwingen wirst, die Frauen und Kinder deines Stammes zu Witwen und Waisen zu machen. Wie steht ihr euch mit den Uled Ayun?“
    „Wir haben Blutrache mit diesen Hunden!“
    „Wie viele Männer haben sie euch getötet?“
    „Dreizehn! Allah sende die Ayun in die Hölle!“
    „Sind sie ärmer oder reicher als ihr?“
    „Reicher. Schon früher waren sie reicher; aber nun wir unsere Herden verloren haben, ist der Unterschied noch viel größer als

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