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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Mutter?‘
    ‚Auch nichts. Die ist alle Tage betrunken.‘
    ‚Was bist du denn eigentlich?‘
    ‚Schusterlehrjunge.‘
    ‚Und wie ist dein Vorname?‘
    ‚Konrad.‘
    ‚Gut! Merke dir, was ich dir jetzt sage! Dort neben dir hängt ein Kober mit Brot und Käse; davon kannst du essen, soviel du willst. Dann kriechst du tiefer ins Stroh und kommst nicht eher heraus, als bis ich dich heraushole!‘
    Nach diesen Worten verschwand das Gesicht wieder. Das mit dem Kober ließ ich mir nicht zweimal sagen. Er enthielt ein halbes Brot und einen großen, ganzen Käse; ich habe ihn leer gemacht. Dann kroch ich unter die Decken und tief ins Stroh hinein und schlief wieder ein. Als ich geweckt wurde, war es Nacht. Der Mann, welcher am Tag mit mir gesprochen hatte, steckte bei mir im Wagen, welcher vor einem Dorf mitten auf der Straße hielt.
    ‚Kerl, du hast aber einen Hunger gehabt!‘ sagte er. ‚Und einen Schlaf dazu! Hast du denn nicht gemerkt, daß wir ein paarmal gehalten haben?‘
    ‚Nein.‘
    ‚Also nach Amerika willst du! Da hast du bei mir die beste Gelegenheit, denn ich fahre hinüber. Willst du mit?‘
    ‚Ja.‘
    ‚Aber du bist ohne Erlaubnis fort, bist den Deinen durchgebrannt. Wahrscheinlich hast du keinen Paß, keine Legitimation?‘
    ‚Ich habe nichts, als was ich auf dem Leib trage.‘
    ‚Höre, das ist auch nicht viel! Aber du tust mir leid. Ich habe dich aus dem Schnee herausgepuddelt und bin bereit, für dich zu sorgen, wenn du mir zweierlei versprichst. Erstens mußt du mir gehorchen, und zweitens darfst du keinem Menschen erzählen wer du bist, woher du kommst und wohin du willst.‘
    ‚Das werde ich gern tun.‘
    ‚Gut! So bleibst du bei mir, bis wir nach Amerika kommen. Du nennst mich Vetter. Dein Großvater war der Bruder von meinem Vater, und du bist aus Halberstadt. Ich habe dich zu mir genommen, weil deine anderen Verwandten alle gestorben sind, und du bist nun schon ein Vierteljahr bei mir. Willst du immer nur so und nichts anderes sagen?‘
    ‚Ja‘, sagte ich in meiner Bedrängnis.
    ‚So wirst du es gut bei mir haben. Also abgemacht! Wir sind, während du schliefst, durch eine Stadt gekommen; da habe ich bei einem Trödler Stiefel und einen Anzug für dich gekauft. Zieh ihn an!‘
    Er zog die Wagenblahe ein Stück auf, so daß ich sehen und den Anzug mit meinen Fetzen vertauschen konnte. Dann mußte ich mich mit ihm in die Schoßkehle setzen, und wir fuhren nach dem Dorf, wo er am Gasthof hielt, um da zu übernachten.“
    „Der menschenfreundliche Retter war wohl ein Fuhrmann, der das Fuhrwesen als Gewerbe betrieb?“ unterbrach ich seine Erzählung.
    „Ja. Es war ein sogenannter Harzer Landfuhrmann.“
    „Ah, die kenne ich. Die Leute zogen mit ihren schweren Lastwagen früher von Land zu Land, nahmen überall Gelegenheitsfrachten auf und kehrten oft erst nach mehreren Jahren in ihre Heimat zurück. Ihre Pferde hatten sie mit sonderbaren Kummeten und Dachsfellen ausgeputzt. Sie waren ehrliche Leute, denen man ein ganzes Vermögen getrost anvertrauen konnte. Der Ihrige aber scheint nicht ehrlich gewesen zu sein, wenigstens mit Ihnen nicht, weil er behauptete, daß er auch nach Amerika wolle, was doch keinesfalls die Wahrheit war. Höchstwahrscheinlich hat er Sie nur ausnützen wollen.“
    „Das ist richtig. Zunächst aber schenkte ich ihm mein volles Vertrauen und gewann ihn sogar lieb. Er rief mich Konrad, und ich nannte ihn Vetter. Ich fütterte und putzte die Pferde, schlief bei ihnen im Stall und nahm ihm auch sonst nach Kräften die Arbeit ab. Dafür erhielt ich mein Essen und zuweilen ein altes, abgetragenes Kleidungsstück, weiter nichts. Als nach und nach Monate vergingen, ohne daß wir nach Amerika kamen, merkte ich freilich, daß er mich belogen hatte; aber das ungebundene Leben gefiel mir, und so blieb ich bei ihm, bis er einmal eine Gelegenheitsfuhre nach Otterndorf bekam. Der Ort liegt in der Nähe der See; die Lust nach Amerika erwachte plötzlich von neuem und mit aller Gewalt, und die Folge war, daß ich ihm davonlief nach Bremerhaven.“
    „Ohne Geld?“
    „Er dachte freilich, ich hätte keins, und das hatte ihn sicher gemacht. Aber ich hatte in der Zeit von anderthalb Jahren, die ich bei ihm war, manches Frachtstück ein- und wieder ausgeladen und zuweilen doch ein Trinkgeld bekommen. Diese kleinen Beträge verheimlichte ich ihm und hob sie heilig auf. So kam es, daß ich jetzt soviel hatte, daß ich, ohne betteln zu müssen, von Otterndorf nach Bremerhaven

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