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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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besserer Meister wollte mich nicht zu sich nehmen. Da bekam ich wenig zu essen und dazu der bessern Verdauung halber den Knieriemen über den Rücken gezogen. Sie können sich denken, daß mir das nicht behagte; ich entfloh zu verschiedenen Malen, strich bettelnd umher, wurde aber immer wieder eingefangen und zurückgebracht. Das jedesmalige Willkommen können Sie sich auch denken! So vergingen zwei Jahre; ich lernte nichts und wurde immer nichtsnutziger. Eines schönen Weihnachtsabends bescherte der Meister seine Familie. Er war ein armer Teufel und konnte nur wenig geben; aber jedes Kind bekam doch eine Kleinigkeit; das Allerwenigste wurde mir beschert, nämlich nichts. Als ich das nicht gelten lassen wollte, ging die Bescherung freilich los, und zwar mit dem Knieriemen. Der Mann schlug mich so, wie er mich noch nie geschlagen hatte, und dann mußte ich mich mit blutrünstigem Rücken hinauf auf den kalten Dachboden legen, wo meine Schlafstatt war – ein Bündchen Stroh, welches nur noch Häckerling genannt werden konnte; eine Decke gab es auch nicht!“
    „Und jetzt Ölprinz? Das ist freilich ein Unterschied!“
    „Ein gewaltiger. Aber es liegen auch viele Leidensjahre dazwischen! Als ich da oben lag, der Hunger an mir nagte und die Kälte mich schüttelte, nahm ich mir vor, wieder auszureißen, und zwar so weit, daß man mich gar nicht wiederfinden könne. Ich schlich mich also leise hinab, zum Haus hinaus, um die Stadt herum und stampfte dann im tiefen Schnee und bei schrecklichem Gestöber dem Ziel, welches ich mir in den Kopf gesetzt hatte, entgegen.“
    „Welches war das?“
    „Natürlich Amerika!“
    „Welche Tollheit!“
    „Ja, es war toll; aber was verstand ich denn davon? Ich glaubte, man brauche, um nach Amerika zu kommen, nur so fort und fort zu laufen. Ich hatte gehört, daß man dort reich werden könne, und reich, steinreich wollte ich werden. Dann wollte ich heimkehren und den Meister blamieren, schrecklich blamieren. Ich wußte, daß er nur altes Schuhwerk zusammenflicken konnte, und wollte mir dann aber ein Paar funkelnagelneue Stiefel bei ihm bestellen; das sollte meine Rache sein. Die verdorbenen Stiefel wollte ich ihm mitsamt dem Geld an den Kopf werfen und dann stolz nach Amerika zurückkehren.“
    „Nun, das können Sie jetzt tun!“
    „Ja, ich werde es tun; ich werde mich rächen, aber in anderer Weise. Wenn der arme Mann noch lebt, werde ich ihm unter die Arme greifen. Er soll für jeden Hieb, den ich von ihm erhalten habe – und Sie können sich darauf verlassen, daß es nicht wenige sind – eine Mark oder meinetwegen einen ganzen Taler erhalten.“
    „Das laß ich mir gefallen, und ich wünsche herzlich, daß er noch lebt. Ihre Geschichte beginnt, mich zu interessieren; der Anfang aber wollte mich abstoßen.“
    „Die nächste Fortsetzung wird nicht viel besser klingen. Eine alte Leinenjacke, leinene Hosen, eine noch ältere Mütze und ein paar Holzpantoffel, das war mein Anzug, in welchem ich mich bis in die Magdeburger Gegend gebettelt habe.“
    „Lieber Himmel! Es ist doch fast unmöglich, daß Sie auf dem weiten Weg nicht ein einzigesmal von der Polizei gesehen und aufgegriffen worden sind!“
    „O ich war schlau; man sollte mich nicht erwischen. Wenn ich Gefahr witterte, ließ ich mich nicht sehen und hungerte lieber.“
    „Fanden Sie denn immer Leute, die Ihnen zu essen gaben, ohne Sie festzuhalten?“
    „Ja. Ich ging immer in die ärmlichsten Häuser; oft auch nahmen sich Handwerksburschen meiner an, die mich zwar auslachten, mich aber nicht verrieten und mir gute Lehren und ein Stück Brot gaben. Aber ich konnte dieses Leben, diese Wanderung doch nicht aushalten; es ging mir von Tag zu Tag schlimmer, bis ich hinter Magdeburg auf offener Straße liegenblieb; ich konnte vor Hunger und Entkräftung nicht weiter und kroch in eine Schneewehe, um da zu sterben; denn daß mich da der Tod des Erfrierens erwartete, das wußte ich. Ich schlief auch sofort ein. Ich erwachte, als unter mir schwere Räder im Schnee knarrten; über mir erblickte ich eine Wagenblahe, und ich lag in tiefem warmem Stroh, mit zwei Pferdedecken überbreitet. Nach einiger Zeit schaute ein dickes, kälterotes Gesicht vorn herein, sah, daß ich die Augen offen hatte, und fragte:
    ‚Du lebst wieder, Junge? Wo kommst du her?‘
    ‚Aus Sachsen.‘
    ‚Wo willst du hin?‘
    ‚Nach Amerika.‘
    ‚Famos! Was sagt denn dein Vater dazu?‘
    ‚Nichts. Ich habe keinen mehr.‘
    ‚Und deine

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