38 - Satan und Ischariot II
daß er gern mit mir sprechen wollte und mit sich zu Rate ging, wie er das anzufangen habe. Endlich drehte er sich entschlossen um, kam auf mich zu und sagte unter einer Verbeugung, welche weniger gewandt als gut gemeint war:
„Verzeihung, mein Herr! Haben wir uns nicht schon einmal gesehen?“
„Wohl möglich“, antwortete ich, indem ich aufstand, um seine Verbeugung zu erwidern. „Vielleicht erinnern Sie sich besser als ich des Ortes, an welchem das geschehen ist.“
„Drüben in den Vereinigten Staaten. Ich glaube, es ist auf dem Weg von Hamilton nach Belmont in Nevada gewesen. Sind diese Städte Ihnen bekannt?“
„Allerdings. Wann soll das gewesen sein?“
„Vor ungefähr vier Jahren. Wir waren eine, Gesellschaft von Goldgräbern, befanden uns auf der Flucht vor einer Horde von Navajos und hatten uns dabei so gründlich verirrt, daß wir uns in dem Gebirge nicht mehr zurechtfinden konnten und sehr wahrscheinlich zu Grunde gegangen wären, wenn wir nicht ganz zufälliger- und für uns so glücklicherweise Winnetou getroffen hätten.“
„Ah, Winnetou!“
„So kennen Sie diesen berühmten Häuptling der Apachen?“
„Ein wenig.“
„Ein wenig nur? Wenn Sie der Herr sind, für den ich Sie halte, müssen Sie ihn viel besser als nur ein wenig kennen. Er war damals nach dem Mariposa-See unterwegs, wo er mit einem Freund oder vielmehr mit seinem besten Freund zusammentreffen wollte, und erlaubte uns, mit ihm zu gehen, da wir jetzt entschlossen waren, uns über die Sierra Nevada nach Kalifornien zu wenden. Wir erreichten den See glücklich und trafen dort andere Weiße, denen wir uns nun anschließen konnten. Am letzten Tag vor unserem Weiterritt kam der Freund Winnetous. Beide wollten hinauf nach den Big Trees, um dort zu jagen, und verließen uns schon vor Anbruch des nächsten Morgens. So kam es, daß Sie nur einige kurze Stunden mit uns am Lagerfeuer saßen und sich mein Gesicht nicht genau gemerkt haben.“
„Ich?“ fragte ich, indem ich mich erstaunt stellte.
„Nun ja, Sie! Oder sind sie nicht der Freund Winnetous gewesen? Sie trugen damals allerdings einen ganz anderen Anzug als heute. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich vorhin nicht so schnell erinnern konnte. Jetzt aber möchte ich behaupten, daß Sie der Bekannte des Apachen sind.“
„Wie hieß denn der Mann, für den Sie mich halten?“
„Old Shatterhand. Habe ich mich geirrt, so verzeihen Sie die Störung!“
„Sie stören mich nicht; ich erlaube mir im Gegenteil die Frage, ob Sie nach Tisch Kaffee trinken?“
„Ich stand im Begriff, mir eine Tasse zu bestellen.“
„So bitte ich, ihn hier bei mir zu sich zu nehmen. Setzen Sie sich!“
Er folgte der Aufforderung, bekam den Kaffee, nahm einen Schluck und meinte dann:
„Es ist sehr freundlich von Ihnen, mich zu sich hier einzuladen; weniger freundlich aber ist es, mich in Ungewißheit zu lassen.“
„Na, dann will ich Ihr Gemüt beruhigen, indem ich Ihnen sage, daß Sie sich nicht geirrt haben.“
„Ah! Sind Sie also doch Old Shatterhand?“
„Ich bin's. Aber schreien Sie doch nicht so! Es wird die Herren, welche sich hier befinden, weniger interessieren, wer ich bin und wie ich da drüben im Westen genannt werde.“
„Es war die Freude, welche mich so laut machte. Sie können sich doch denken, daß ich ganz entzückt darüber bin, hier hüben mit einem so – – –“
„Still!“ unterbrach ich ihn. „Hier hüben in dem Meer von Zivilisierten bin ich ein Tropfen, welcher verschwindet. Da lesen Sie meinen eigentlichen Namen!“
Wir wechselten unsere Karten. Auf der seinigen stand ‚Konrad Werner‘. Als ich diesen Namen las, bemerkte ich, daß er mich dabei anblickte, als ob er erwarte, daß ich denselben kennen oder gar mich überrascht zeigen werde. Da aber diese Erwartung sich nicht erfüllte, fragte er:
„Haben Sie den Namen vielleicht schon einmal gehört?“
„Wahrscheinlich schon viele Male, denn der Werners gibt's in Deutschland wohl nicht wenige.“
„Ich meine drüben, drüben!“
„Hm! Nicht daß ich wüßte. Es ist aber anzunehmen, daß ich ihn damals aus Ihrem Mund gehört habe.“
„Natürlich habe ich Ihnen gesagt, wie ich heiße, denn wir alle nannten unsere Namen. Aber ich meine es anders. Der Name Werner, Konrad Werner, wird jetzt drüben viel genannt. Wollen Sie nicht die Güte haben, einmal an Oil-Swamp zu denken!“
„Oil-Swamp? Hm! Es ist mir allerdings so, als ob ich den Namen, und zwar in besonderer Beziehung,
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