38 - Satan und Ischariot II
machen?“
„Das wäre mir freilich das liebste.“
„Well! Sie wird über kürzer sein, als du denkst. Bin da unten in Neghileh mit ihm zusammengetroffen; haben miteinander einen Ausflug nach Berd Aïn gemacht, zwei Monate lang. Hunter muß nach Tunis, und ich gehe mit. Bin aber vorher nach Kairo, um Kasse zu holen. Er wartet in Alexandrien auf mich.“
„Und du gehst seinetwegen nach Tunis?“
„Nein. Wäre auch ohne ihn hingegangen. Habe mit dir die algerische Sahara kennengelernt und jetzt Ägypten angesehen. Will nun auch wissen, was dazwischen liegt; das ist Tunis und Tripolis.“
„Soso! Wer war bei Hunter?“
„Niemand.“
„Wirklich niemand? Aber er hat ja einen Begleiter bei sich namens Jonathan Melton.“
„Kenne den Namen nicht; habe ihn nie gesehen.“
„Hat Hunter nicht von ihm gesprochen?“
„Kein Wort!“
„Hm! Sonderbar! Aber von seinen Verhältnissen hat er etwas verlauten lassen?“
„Keine Silbe. Ist mir nicht eingefallen, mich danach zu erkundigen.“
„Aber man pflegt doch nicht mit einem unbekannten Menschen zu reisen!“
„Unbekannt? – Pshaw! Hunter trat sehr anständig auf. Ist lange Zeit, wie ich mich überzeugte, im Orient gewesen. Was willst du mehr!“
„So scheint es, daß ich ihn besser kenne als du, obgleich ich ihn noch nicht gesehen habe. Wir suchen ihn. Er soll nach Hause kommen, eine großartige Erbschaft machen. Sein Vater ist gestorben. In welchem Hotel sollst du ihn in Alexandrien treffen?“
„In keinem. Wohnt privat. Geht nach Tunis, um dort einen Freund zu besuchen, den Kalaf Ben Urik, Kolarasi (Hauptmann) bei den tunesischen Truppen.“
„Kalaf Ben Urik? Sonderbarer Name! So kann eigentlich weder ein Araber noch ein Maure oder Beduine heißen! Der Name kommt mir wie ein selbstgemachter vor!“
„Was kann dich das interessieren?“
„Mehr als du denkst. Weißt du vielleicht, wie alt Kalaf Ben Urik ungefähr ist?“
„Bei guten Jahren. Hunter erwähnte es zufällig. Er sagte auch, daß ich mit dem Kolarasi englisch sprechen könne.“
„Englisch? Ah! Wie kommt es, daß ein tunesischer Hauptmann das Englische versteht?“
„Weil er eigentlich ein Fremder ist. Hunter sagte mir, der Hauptmann sei vor acht Jahren zum Islam übergetreten, als er nach Tunis kam.“
„Woher kam er da?“
„Weiß es nicht. Aber da er englisch spricht, scheint der Master ein Landsmann von mir zu sein.“
„Ein Engländer? Ich möchte ihn lieber für einen Amerikaner halten, weil Hunter, der doch ein Yankee ist, ihn besucht.“
„Mag sein. Ist mir auch lieber. Müßte mich darüber ärgern, wenn ein früherer Christ und jetziger Mohammedaner in meinem Old England geboren wäre. Aber was machst du für ein Gesicht? Worüber denkst du nach? Solche abwesende und doch stechende Augen habe ich nur dann bei dir gesehen, wenn du über eine Fährte nachdachtest.“
„So? Vielleicht befinde ich mich auch gerade jetzt auf einer Spur, und zwar auf einer außerordentlich interessanten und wichtigen. Sage mir nur eins: Hunter hat von seinen Verhältnissen also kein Wort gesagt. Hat er nicht doch einmal gesprächsweise erwähnt, daß er außer zu diesem Kolarasi zu noch einer Person in Tunis in Beziehung steht?“
„Ja. Er bekommt seine Briefe an einen dortigen Handelsmann nachgeschickt.“
„Kennst du den Namen desselben?“
„Er ist ein Jude, und wenn ich mich nicht irre, so nannte er ihn – hm, wie war doch der Name!“
„Musah Babuam?“
„Ja, richtig; so hieß der Mann! Aber wie kommt es, daß du dich nach solchen Nebendingen erkundigst, nach denen sonst kein Mensch zu fragen pflegt?“
„Weil die Nebendinge mich auf die Hauptsache bringen. Mir scheint, daß Hunter ein Betrüger ist.“
„Ein – Betrüger –?“ fragte Emery im höchsten Grad erstaunt. „Das – ist – ganz – unmöglich!“
„Es ist nicht nur unmöglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich.“
Winnetou hatte bis jetzt kein Wort gesagt, aber, da wir englisch sprachen, alles verstanden. Jetzt meinte er mit der Betonung eines Mannes, der seiner Sache sicher ist:
„Mein Bruder Old Shatterhand ist auf der richtigen Spur. Dieser Small Hunter ist nicht der richtige Small Hunter, sondern ein falscher.“
„Ein falscher?“ fragte Bothwell. „Ihr meint, daß er nicht seinen echten Namen führt?“
„Ja, das meinen wir“, antwortete ich. „Er heißt Jonathan Melton.“
„Den Namen nanntest du doch vorhin als denjenigen seines Begleiters?“
„Allerdings. Er
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