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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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oft interessanter und oft lustiger Art, welche uns auf der Reise begegneten, gehören nicht hierher; ich sage nur, daß Winnetou trotz seiner gewohnten indianischen Zurückhaltung nicht aus dem Staunen herauskam. Es gab gar viel Neues, Unbekanntes und Unerwartetes zu sehen. In Alexandrien kaufte er sich einen arabischen Anzug, der ihm ganz vorzüglich stand, aber um so unbequemer vorkam.
    In Kairo angekommen, verfügten wir uns sofort nach dem Hotel du Nil, wo Small Hunter gewohnt hatte. Wir erfuhren, daß er vor ungefähr drei Monaten abgereist sei, und das stimmte auch mit den Angaben, welche man uns auf dem amerikanischen Konsulat machte, überein. Dort hörten wir noch weiteres. Die Behörden von New Orleans hatten Erkundigungen eingezogen, ebenso auch der schon erwähnte Advokat. Briefe waren zuerst nach Alexandrien und dann später nach Tunis nachzusenden gewesen. Der Vermittler in der letztgenannten Stadt war ein jüdischer Handelsmann Namens Musah Babuam.
    Diese Auskünfte bestimmten uns, nach Tunis zu gehen, und zwar Kairo schon morgen zu verlassen, denn es galt, keine Zeit zu verlieren. Zu unserer Beruhigung aber hatte man uns gesagt, daß Small Hunter sehr wohl gewesen sei und mit seinem Reisebegleiter in einem sehr guten, sogar vertraulichen Einvernehmen gestanden habe; die Ähnlichkeit zwischen beiden sei geradezu frappant gewesen, zumal sie sich bis ins kleinste gleich gekleidet hätten.
    Am Abend spazierten wir einmal nach dem Hotel d'Orient, in welchem ich früher gewohnt hatte. Es führte mich keine besondere Absicht dorthin; man kehrt ganz unwillkürlich und gern an Orte zurück, welche man früher betreten hat. Wir traten in den hellerleuchteten Garten und setzten uns an einen leeren Tisch, um ein Glas Limonade zu trinken. Man hatte uns bemerkt, denn Winnetou mußte auffallen, da er sein Haar ganz aufgelöst im Nacken trug.
    Es gab mehrere Tische und viele Gäste da, welche sich an der kühlen Abendluft erfreuten. In ziemlicher Entfernung von uns hatte ein muselmännisch gekleideter Mann gesessen, welcher bei unserem Erscheinen aufgestanden war. Er kam näher und immer näher und wendete keinen Blick von uns. Er war wohl irgendeiner, der mich früher einmal in dieser Gegend gesehen hatte; ich achtete nicht mehr auf ihn. Da zog er die Kapuze seines hellen Haïk halb über das Gesicht herab, kam ganz herbei, legte mir die Hand auf die Schulter und grüßte mich im schönsten Tehua-Indianisch:
    „Oseng-ge tah, mo Old Shatterhand!“
    Das heißt soviel wie ‚guten Abend, Old Shatterhand!‘ Dann legte er seine Hand auf des Apachen Arm und wiederholte den Gruß, nur mit dem anderen Namen:
    „Oseng-ge tah, mo Winnetou!“
    Der Araber kannte uns. Ich sprang überrascht auf und fragte in demselben Indianerdialekt:
    „Toh-ah oh sse – wer bist du, Mann?“
    Da antwortete er in englischer Sprache:
    „Rate doch einmal, alter Löwentöter! Bin wirklich neugierig, ob du mich denn nicht an der Stimme erkennen willst!“
    „Emery, Emery Bothwell!“ rief ich aus, riß ihm die Kapuze über den Kopf und zurück und schlang die Arme um ihn. Er tat dasselbe mit mir, drückte mich an seine mächtige Brust und sagte im Ton tiefer Rührung:
    „Habe mich lange, lange gesehnt nach dir, alter Knabe! Bist aber nie, wenn ich unterwegs war, auf meiner Fährte zu finden gewesen. Jetzt bist du in diesem gesegneten Garten beinahe über mich weggestolpert. Das hat das Kismet gewollt, und auch ich werde einen Willen haben, nämlich den, daß wir uns nicht sogleich wieder trennen. Bist du einverstanden?“
    „Gern, liebster Freund! Also du hast uns beide sogleich erkannt?“
    „Dich sofort; aber der Häuptling machte mir zu schaffen. Wer durfte in diesem Gewand den größten und berühmtesten Krieger der Apachen vermuten! Wer hätte es für möglich gehalten, Winnetou hier in der fernen Kahira zu sehen. Ich bin so erstaunt darüber, daß ich es, wenn ich nicht so gute und treue Augen hätte, gar nicht glauben würde. Es muß ein ebenso seltsames wie wichtiges Geschäft sein, welches den Häuptling bewogen hat, den Llano estacado mit der lybischen Wüste und das Felsengebirge mit dem alten Mokattam zu vertauschen.“
    „Das ist es auch. Nimm Platz, so wirst du es erfahren.“
    Er ließ sich durch den Keller seinen Scherbet und seinen Stuhl bringen und setzte sich zu uns.
    Wer hätte daran gedacht, diesem meinen guten, kühnen und geradezu unbesiegbaren Kameraden aus der Prärie und der Sahara heute hier zu begegnen! Und

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