38 - Wiedergeborenes Scorpio
brachten die Zuschauer ihre Überraschung und ihr Entsetzen zum Ausdruck. Ich hielt nach den drei Banditen Ausschau, konnte sie aber nicht sehen.
Mit einem Gurgeln wie ein verstopfter Ablauf, der sich vom Unrat eines Monats befreit, brachte Mevancy heraus: »Du! Ach du!«
Das Mädchen, das auf ihr herumgetrampelt war, stellte die Behandlung ein.
»Danke, Walfgera«, sagte ich zu ihr.
Sie wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schürzte die Lippen. Dann sagte sie: »Man weiß nie, was das Richtige ist. Aber ihr seid Fremde.«
»Vielleicht hätte man sie zur Pracht Tsung-Tans bekehren können, Ysbel!« rief eine alte Frau, die sich einen Schal um den Kopf gebunden hatte. »Man weiß nie!«
»Walfgera Ysbel«, sagte ich, »du hast genau richtig gehandelt, und ich danke dir.«
Mevancy blubberte ein wenig und schüttelte den Kopf und spuckte und schluckte und lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit damit wieder auf sich. Als sie aufstand, fanden die Zuschauer, daß das Schauspiel vorüber war. Niemand machte eine Bemerkung über den Vorfall.
Es dauerte nicht lange, da waren alle verschwunden und setzten ihren Tagesablauf fort. Nur Ysbel und ihre Schwiegermutter waren noch bei uns und starrten Mevancy an.
»Deine Arme ...«, sagte Ysbel schließlich.
Mevancy hatte die aufgerissenen Ärmel darüber gezogen; der nasse Stoff konnte aber den löchrigen Zustand ihrer Haut nicht verbergen.
»Ach«, sagte Mevancy und warf den Kopf in den Nacken, »das liegt am Wasser.« Wie ein Chavonth fuhr sie zu mir herum. »Na, Kohlkopf? Willst du den ganzen Tag Löcher in die Luft starren? Wir haben Arbeit.«
Ich richtete meine Antwort an Ysbel. »Ich danke dir noch einmal. Ich finde, deine Tat wäre eines Goldeslohns wert.« Dann fügte ich hinzu: »Für die Pracht Tsung-Tans.«
Ysbels Schwiegermutter lachte heiser.
Mevancy riß ihren Geldbeutel auf und schaufelte Ysbel einige Ming zu. Ich wandte mich ab. Ich konnte mir allmählich vorstellen, welchem Problem Ysbel gegenübergestanden hatte, als diese anscheinend ertrunkene Fremde vor ihr lag.
Ysbel schlug nicht die Augen nieder, als sie sagte: »Danke, meine Dame. Wärst du ein Paol-ur-bliem gewesen, würdest du mir gar nicht danken!«
Mevancy kniff die Lippen zusammen und antwortete nicht.
Nachdem wir höfliche Remberees gewechselt hatten, trennten wir uns. Wir schritten am Ufer entlang, und Mevancy sagte barsch: »Dahinter steckt bestimmt Hangol!«
»Wahrscheinlich«, antwortete ich. »Ganz sicher wissen wir es nicht.«
»Das sollen normale Verbrecher gewesen sein?« Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte sich schnell wie eine Katze wieder erholt. »Nein, das glaube ich nicht.«
Als ich sie zum Boot Kangs des Hakens führte, warf sie den Kopf in den Nacken, sagte aber nichts, sondern ging an Bord und bezahlte den Silber-Khan, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Ich spürte, daß sich ein neues: Ach, du! in ihr staute.
Die Überfahrt dauerte nicht lange, und Kang ließ sich lang und breit darüber aus, wie töricht es gewesen sei, ins Wasser zu springen, und wie sehr ich die Dame lieben müsse; und wie groß ihre Liebe zu mir zu sein habe. Ich merkte, es dauerte nicht lange, bis Mevancy wie ein kochender Kessel explodieren würde; zum Glück erreichten wir das andere Ufer und verließen das Boot, ehe diese Katastrophe eintreten konnte. Trotzdem! Der Gedanke belustigte mich.
Auf dem Rückweg zu unserem Logierhaus sagte sie: »Morgen ist die Beerdigung.«
Ich war nicht so dumm zu fragen, ob sie hingehen wolle. »Wahrscheinlich werden die anderen Leute von der Karawane dort sein«, sagte ich statt dessen.
»Vielleicht.«
»Ja. Ich glaube, ich werde mich unter die Leute mischen.«
»Wie du willst.«
»Aron der Fährmann hat dich kommen sehen«, sagte ich. »Du warst ein Hühnchen für ihn, das er rupfen konnte. Nein, es macht mir keinen Spaß, mich der Menschenmenge anzupassen. Aber ich finde, unsere Chancen stünden besser, wenn wir nicht auffielen wie zwei bunte Hühner.«
Sie blieb stehen und fuhr zu mir herum: »Du! Kohlkopf! Vergiß nicht ... wer du ...«
»Ich weiß das sehr gut – Hühnchen«, antwortete ich und ging weiter.
Sie richtete erst wieder das Wort an mich, als wir gegessen hatten und in der oberen Gaststube überlegten, was von unserem ersten Tag in Makilorn noch übrig war.
»Kohlkopf!« sagte sie plötzlich.
Ich hob den Blick. »Ja, Hühnchen?«
Sie atmete schwer durch die Nase, sehr schwer. Dann: »Du hast dir meine Arme
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