38 - Wiedergeborenes Scorpio
erleiden. Ihr Gesicht lief rot an. Sie schüttelte vor der geldgierigen Nase Arons des Fährmannes die Faust. Sie brachte vor Erregung kaum noch ein klares Wort heraus. »Ein Gold-Ming enthält nur sechzig Silber-Khans!« keuchte sie schließlich. »Du bist ein ...« Heftig japsend atmete sie ein und schwenkte die Arme. Dann fuhr sie herum und starrte mich zornig an, der ich gelassen auf der Mauer lehnte.
»Und du brauchst da nicht so selbstgefällig herumzustehen, Kohlkopf!«
Ich war so vernünftig, den Mund zu halten.
Die letzten Karren und Tiere und Passagiere für die bevorstehende Überfahrt der Fähre drängten sich nur etwa einen Fuß über dem Wasser auf dem flachen Deck. Aron der Fährmann reckte sich und zupfte sich die braune Robe zurecht. In seinem Gürtel steckte ein unangenehm aussehender Krummdolch, der mich an einen havilfarischen Kalider denken ließ. So eine Waffe konnte mit einem Stich tückische Wirkung entfalten.
»Du mußt dich entscheiden. Wir legen jetzt ab.«
Das tonlose häßliche Knallen einer Peitsche fuhr durch die heiße Luft. Die Sklaven ächzten, stellten sich in Position und griffen nach den Tauen.
Ich mußte meine Gefühle im Zaum halten. Hier und jetzt vermochte ich nichts gegen die verabscheuungswürdige Einrichtung der Sklaverei zu unternehmen. Doch eines Tages, wenn Opaz wollte, würden meine Freunde und ich dafür sorgen, daß überall in Paz nur freie Menschen lebten.
»Ach, bei Spurl! Na schön! Du Räuber.« Mit diesen Worten schleuderte Ming Aron förmlich einen Gold-Ming zu und schob sich heftig an ihm vorbei. Ich folgte ihr.
Im Vorbeigehen fragte ich Aron: »Für die Rückkehr kostet es noch einen Ming?«
»Und ob, Walfger.« Er sprach mich nicht als Edelmann an, ›Walfger‹ war die lohische Bezeichnung für ›Herr‹ und entsprach etwa dem havilfarischen ›Horter‹ und dem vallianischen ›Koter‹.
Ich war nicht so töricht, ihn zu bedrohen oder zu sagen, daß ich mich bei den anderen Passagieren nach den Preisen erkundigen würden, die sie bezahlten. Ich würde es einfach herausfinden.
Das Westufer unterschied sich ein wenig von der Ostseite, vor allem wohl weil es weniger Tempel und mehr Gewerbegebiete gab. Es gab natürlich das Labyrinth schmaler Straßen und Gassen, das sich in den meisten Städten findet; hier aber verdiente das Gewirr der Wohn- und Arbeitsstätten kaum den Namen Aracloins, die umfassende Bezeichnung für Siedlungen und Sukhs.
Wir fanden die Anschrift, ein großes Gasthaus, das beinahe ebenso stilvoll war wie Lulli Quincys Logierhaus. Noch beim Eintreten beschäftigte ich mich mit den neuen Erkenntnissen, die ich über Mevancys Charakter gewonnen hatte. Für unsere Unterkunft mußte sie so ziemlich den Spitzenpreis zahlen; dagegen hatte sie sich wegen eines einzelnen Gold-Mings für die Überfahrt aufgeregt. Wobei ich nicht daran zweifelte, daß Aron der Fährmann ein hilfloses Opfer gewittert und tüchtig zugeschlagen hatte.
Ich kannte die Leute auf unserer kleinen Liste – oder sollte ich sagen: Mevancys kleiner Liste? – aus meiner Zeit bei der Karawane. Mevancy hatte mir gesagt, daß sie und Rafael die meisten in einer Gruppe ins Freie geschafft hatten, auf einem Weg durch das Feuer, das sich zunächst vor allem in Form von Rauch geäußert hatte. Erst später hatten die Flammen um sich gegriffen.
Eine liederlich wirkende große Frau, die Cham kaute, berichtete uns, daß der riesige Paktun sich empfohlen habe und es nicht schade um ihn sei.
Ich gebe zu, daß mich diese Nachricht doch sehr zufriedenstellte.
Da ich nicht recht wußte, was Mevancy mit ihrem Besuch bezweckte, hatte ich eine unangenehme Szene erwartet. Ich meine, wollte das Mädchen Margon den Ron Tag und Nacht bewachen lassen? Sie stand neben mir und schaute zu, wie die dicken Wangen der Frau sich mit der Ladung Cham bewegten. Schließlich sagte sie leise: »Danke, Walfgera«, und verließ ruhig das Haus.
»Einen können wir durchstreichen«, sagte ich.
»Anzunehmen. Er ist fort. Wäre er unser Ziel gewesen, hätte man uns längst hinter ihm hergeschickt.«
»Ja.«
Ich wollte schon fragen: ›Na, und wen hältst du jetzt für unseren Kandidaten?‹, als sie mit energisch zuvorkam: »Die Parfangs. Listi und Larrigen. Die beiden sind frisch verheiratet und haben nicht viel Geld. Sie wohnen auf dieser Seite des Flusses.«
Mit der komischen Zurückhaltung, die mir allmählich zur Gewohnheit wurde, wenn ich die hochnäsige junge Dame auf etwas hinweisen
Weitere Kostenlose Bücher