38 - Wiedergeborenes Scorpio
angeschaut.«
»Aye.«
»Dann muß ich es dir wohl sagen. Auf jeden Fall muß ich sehr viel essen.«
»Mir ist schon aufgefallen, wie sehr du dich vollstopfst.«
»Ich muß das verlorene Gewebe so schnell wie möglich ersetzen. Ich habe so ziemlich alle meine Bündel verbraucht.«
»Waren das die Dinger, die in den Gesichtern der Schurken steckten?«
»Natürlich.«
»Und im Auge des Rapas, und als Hangol getroffen wurde?«
»Unten am Fluß war ich überrascht. Ich reagierte heftig. Ich habe viel zu viele abgeschossen. Viel zu viele.«
»Ja, du hast die Kerle ziemlich übel zugerichtet.« Ich griff nach einer Paline und drehte die gelbe Beere zwischen den Fingern. »Darf ich ...?«
»Warum nicht? Hier ...« Sie streckte den rechten Arm aus. Die glatte, seidige Haut endete an Handgelenk und Ellbogen. Dazwischen lag eine narbige Fläche, die mich an Bienenwaben erinnerte. In den Schlitzen steckte nur noch etwa ein Dutzend der tödlichen kleinen Stäbchen, der Bündel. Sie erzeugten den körnigen Effekt, der mir schon aufgefallen war. Sie fuhr fort: »Sie werden durch Blutdruck abgeschossen. Leichter ist es, wenn ich zornig bin, was gewöhnlich der Fall ist. Häufiger allerdings habe ich Angst.«
»Willkommen im Klub«, sagte ich.
Sie zog den Arm zurück. Ich war fasziniert von diesem neuen Einblick in die vielfältige Natur Kregens. Aber – vielleicht war dies nicht das Ergebnis einer natürlichen Evolution, sondern ein weiteres Beispiel dafür, wie die uralten Savanti in die Natur eingegriffen hatten?
»Zu Hause sind alle so?«
Ihr breiter Mund erweiterte sich zu einem Lächeln. »O nein. Nur die Frauen.«
Nun ja, das erklärte ein wenig ihren Hochmut.
»Sag mal, Mevancy, wo liegt denn das Land, aus dem du stammst?«
Ich rechnete eigentlich nicht damit, daß sie antworten würde. Aber vielleicht hatten die Ereignisse einen Damm in ihr brechen lassen, denn sie sagte nur: »Ich stamme aus Sinnalix. Es gab dort einst eine Kultur, die so fortgeschritten war wie jede andere Nation auf Kregen; aber dann überrannte man uns, und jetzt leben wir kaum besser als Barbaren. Es ist eine Schande.«
Ich kannte die Geschichte. Die Sinnalixi bewohnten ein lohisches Gebiet südlich von Murn-Chem, nordwestlich von hier. Mevancy war also gar nicht weit von zu Hause entfernt. Ihr Land war Teil des Walfargschen Reiches gewesen; ihr Volk hatte schlimme Zeiten durchmachen müssen, und obwohl es Barbaren unterschiedlichster Ausprägung gibt, wußte ich, was sie meinte. Ich hatte nichts gewußt von der erstaunlichen Fähigkeit der Sinnalixi-Frauen, sich durch den Abschuß winziger Pfeile gegen Angreifer zu verteidigen. Alles in allem hatte ich nichts dagegen.
Mevancy berichtete, daß sie aus einer guten Familie stammte, die schwere Zeiten durchmachte. Nun ja, – bei Zair! – auf wen traf das nicht zu? Nachdem sich in Sinnalix die Barbarei ausgebreitet hatte, eine Barbarei, die im Materiellen wie auch im Geistigen wirkte, hatte das Land jeden Zusammenhalt verloren. Das Leben war verroht. Mevancys Vater – ich mutmaßte, daß er in der Gemeinde Besitztümer hatte, die ihm Gehorsam eintrugen – hatte Erfolg gehabt und ein reiches Mädchen aus einem befreundeten Stamm geheiratet. Vielleicht ließ sich die langanhaltende Unwissenheit, die über dem Land lag, allmählich vertreiben. Das Erbe des Walfargschen Reiches mochte noch positive Folgen haben.
»Ich fiel auf, weil mit mir nicht leicht Palines essen war.« Sie äußerte sich, ohne mich anzuschauen, und schob dabei eine gelbe Beere auf ihrem Teller hin und her. »Meine Mutter starb bei einem Überfall auf unsere Siedlung, und das war der Anfang der schlimmen Zeiten.«
Ich dachte an Jilian die Süße. Die beiden Mädchen hatten kaum Ähnlichkeit miteinander, doch hätten sie in gewisser Weise auch Schwestern sein können.
»Suringlas hatte eine Aufgabe für mich, und ich half ihm. Das eine führte zum anderen, und schließlich war ich mehr als froh, meine ganze Zeit den Everoinye widmen zu können.«
Die nüchterne Beschreibung, wie sie von den Herren der Sterne aufgegriffen worden war, überraschte mich mehr als alles andere.
»Du hast seither nur für sie gearbeitet?«
»Seit Suringlas nach Sinnalix kam.«
Ich nahm mir vor, nicht zu fragen, wie lange das her war. Vermutlich nicht lange.
»Wie lange ...?« fragte sie.
»Ich habe mich mit den Everoinye nicht immer gut gestanden«, antwortete ich. »Manchmal war ich ungehorsam, und sie haben mich bestraft.«
Sie
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