39 - Meuchelmörder von Scorpio
In der Zwischenzeit wollte ich, wie jeder gute Kreger, diese der sechs oder acht Hauptmahlzeiten essen, wie es der Etikette dieser Welt entspricht.
Als sie sprach, zeigte sich in ihrer Stimme eine gewinnende Anziehungskraft, die mir gefiel. Sie begann mit allgemeinen Erkundigungen über meine Person, die ich mit den Prescot-Standardlügen beantwortete. Erfundene Geschichten waren weitaus einfacher als die Wahrheit, bei Krun! Dann fragte sie: »Kannst du meine Wachen zu der Stelle führen, an die dich die Diebe verschleppt haben?«
»Nein, Majestrix. Ich gelangte bewußtlos dorthin und ging mit verbundenen Augen.«
»Schade. Doch wir können die Diebe fangen, wenn du ihnen das Skantiklar übergibst.«
Der Zauberer hörte auf zu kauen, sah mir ins Gesicht und sagte: »Das hast du nicht gehört. Tikshim.«
Normalerweise stören mich Beleidigungen nicht, die mir Leute entgegenschleudern. Ich reagiere nur dann, wenn es meinen Zwecken nützlich erscheint. Das Wort Tikshim nun, das soviel wie ›mein Bester‹ bedeutet, wird von den Leuten der Oberschicht, die es benutzen, als völlig normal angesehen, doch die Leute der Unterschicht, die damit angesprochen werden, empfinden es als Beleidigung, die ihren Zorn aufwallen läßt. Das störte mich also nicht. Die Einstellung dieses Zauberers war eindeutig, erschreckend eindeutig. Eingenommen von der eigenen Stellung und Macht, hatte er Todesangst, beides zu verlieren. Ich sah mir die Symbole näher an, die sein prächtiges Gewand bedeckten. Ich würde über diesen Burschen noch einiges in Erfahrung bringen, keine Angst.
»Nun?« Das Wort wurde eindeutig geknurrt.
»Ich habe es gehört«, sagte ich beiläufig und aß meinen Salat weiter.
Leone hielt den Kopf über den Teller gebeugt.
Dem Zauberer schoß das dunkle Blut ins Gesicht.
»Du Shint! Hast du nicht gehört, daß ich dir befohlen habe, zu vergessen, was du gehört hast?«
»Das habe ich doch gerade gesagt. Ich habe es gehört.«
Seine Lippen preßten sich zusammen, wurden weiß und entstellten sein adlerhaftes dunkles Gesicht.
»Ich werde ...«
Und die Königin lachte.
Leone sah erschreckt auf. Die Königin saß zurückgelehnt in ihrem Stuhl und lachte. Sie legte eine schlanke helle Hand an die Lippen. Ihre Augen strahlten.
»Ich glaube, San Chang-So, du mußt zugeben, daß Wr. Drajak es richtig verstanden hat.«
Es gelang ihm, den Mund zu öffnen. In seinem Tonfall lag eine häßliche Note, als er sagte: »Natürlich, so hat er es gemeint. Er ist nicht dazu fähig, sich klar auszudrücken.«
Was mich betraf, als ich das erste Essen weiter verspeiste, hauptsächlich Salate, verfluchte ich mich selbst. Welch ein Narr! Dieser Mann war ein übler Kerl, mit Macht und Prestige; und ich hatte ihn mir bei der ersten Begegnung zum Feind gemacht. So wie ich Männer seines Schlages kannte – und das tat ich zur Genüge! –, würde er versuchen, mich für seine beeinträchtigte Ehre büßen zu lassen.
Bei Makki-Grodnos ekelhafter verfaulter Leber und bei seinem Augenlicht! Warum konnte ich meine lästerliche Weinschnute nicht geschlossen halten?
6
Danach verlief das erste Essen schweigsam.
Schließlich tupfte sich die Königin die Lippen mit einem Viereck aus gelbem Leinen ab und sagte: »Ich denke, Palines. Und dann, San Chang-So, wirst du das Nötige veranlassen. Hast du schon Näheres über den neuen Zauberer in Erfahrung bringen können?«
»Er kommt aus Whonban.« In Chang-Sos Stimme lag kaum verhüllter Neid und Bosheit. »Aus Nik-Whonban. Trotzdem macht ihn das zu einem echten Zauberer aus Walfarg.«
Das versetzte mir einen Stich. Mit seinen Gewändern und allgemeinen Umgangsformen hatte er mich nicht so beeindruckt, wie es ein echter Zauberer aus Loh getan hätte. Hier in Loh gab es so viele unterschiedliche Arten von Zauberern wie in jedem anderen Teil Kregens, möglicherweise sogar mehr, Balintol vielleicht ausgenommen. Die wirklich echten Zauberer aus Loh kamen aus Walfarg. Nach so langer Zeit der Gewohnheit glaubte ich, daß es mir schwerfallen würde, ›Zauberer aus Walfarg‹ zu sagen statt ›Zauberer aus Loh‹. Doch Chang-So, bei Vox, dieser auserwählte Vertreter seiner Zunft, würde nicht wie ein echter Zauberer aus Walfarg über das nötige Kharma und die sich daraus ergebende zauberische Kraft verfügen.
»Nun, beobachte ihn weiter!«
»Das tue ich. Und er weiß es. Bei Hlo-Hli! Ich spüre seine Macht!«
Die Königin blickte ihn scharf an. Schweiß bedeckte seine
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