39 - Meuchelmörder von Scorpio
ihn völlig. Das lag nicht daran – und davon war ich überzeugt –, daß sie so mit ihren eigenen Sorgen und Gedanken beschäftigt war, sondern weil er für sie einfach unsichtbar war. Er winkte mir mit dem Stachel zu. Er kam von den Herren der Sterne, da gab es keinen Zweifel. Sie behielten mich im Auge. Meine ursprüngliche Verzweiflung über mein Versagen war auf handfeste Weise verflogen. Ich war nicht verächtlich zur Erde zurückgeschleudert worden. Aber – hier stand der Skorpion der Everoinye und beobachtete mich. Vielleicht würde ich doch noch bestraft.
»Nun? Warum antwortest du nicht?«
Ich schreckte auf.
»Du kannst dir nicht sicher sein, ob du mir vertrauen kannst. Das verstehe ich. Ich kann dir nur versichern, daß alles, was ich dir erzählt habe, der Wahrheit entspricht. Ist das die Kopie?«
»Eine von mehreren.«
»Ach?«
Sie ging zu dem zerbrechlichen Sofa hinüber und warf sich so heftig darauf, daß die Binsen raschelten.
»O Drajak! Ich weiß nicht! Ich will dir vertrauen. Ich fühle – ich fühle etwas – Merkwürdiges. Etwas ist an dir, von dem ich nichts wissen will – glaube ich.«
»Du hast von mir nichts zu befürchten, Leone.«
»Vielleicht nicht auf die Weise, die du meinst. Aber – aber ich spüre – ich denke, daß es doch der Fall ist.«
Der verdammte Skorpion stand da und saugte alles in sich auf. Ich fragte mich, ob die Herren der Sterne – die irgendwann so menschlich wie Leone oder ich gewesen waren – sich noch daran erinnerten, daß die Gefühle eines jungen Mädchens so flatterhaft sein konnten wie ein Vogel im Käfig.
Es verstand sich von selbst, daß Leone mir leid tat. Doch ich hatte einen Auftrag zu erledigen, der mich in die Lage versetzen würde, zu meiner Delia zurückzukehren – zu meiner Delia von den Blauen Bergen, meiner Delia von Delphond. Und warum ich auf Kregen jemals zuließ, eine einzige Sekunde länger von ihr getrennt zu sein als nötig, konnte ich nicht verstehen. Nur die Pflicht, die verdammte Pflicht, hielt mich davon ab, nach Vallia zu eilen und den Schwestern der Rose zu sagen, was ich dachte. Dann würden Delia und ich fortfliegen, um zusammenzusein. Bei Zair! Ich weiß, daß ich mich schon fast umdrehte, um auf direktestem Wege aus dem Palast in Makilorn zu eilen und nach Hause aufzubrechen.
Aber wenn ich das täte, würden die Herren der Sterne ihren riesenhaften blauen Phantomskorpion schicken, um mich dorthin zurückzubringen, wo ich gebraucht wurde, um ihre Pläne voranzutreiben.
Ich blinzelte, und der Skorpion war weg.
Ich atmete aus.
»Gut, Leone. Erzähl mir von der Halskette!«
»Die Königin hat sich sehr amüsiert.«
»Ach?«
Ihre Lippen preßten sich bei meinem Tonfall zusammen, und ich machte mich auf einen verächtlichen Ausbruch gefaßt. Dann schüttelte sie den Kopf und sagte: »Sie weiß, daß ich mir manchmal etwas von ihrem Schmuck ausleihe. Sie hat nicht gewußt, daß ich mir diese bestimmte Halskette geliehen hatte, und zuerst war sie ärgerlich und aufgebracht. Dann – es war seltsam mitanzusehen – lächelte sie und wurde sehr freundlich, fast so, als würde sie sich an einem Scherz erfreuen.«
»Auf wessen Kosten?«
»Sie zeigte mir eine Schatulle. Drajak ... Da waren neun Halsketten, alle gleich!«
Sie nahm die Halskette ab und gab sie mir.
»Wir haben gedacht, die Halskette wäre wichtig. Nun, das beweist, daß sie tatsächlich sehr wichtig ist.« Ich nahm sie. »Danke, Leone.«
»Ja.«
»Aber sie können nicht alle gleich sein, oder?«
»Aber das waren sie. Drajak. Alle neun waren genau ... Oh! Ich verstehe!«
Ich drehte die Halskette in meiner Hand um. Die Edelsteine wurden von doppelten Schnüren zusammengehalten, die abwechselnd aus Gold, Silber und Dudinter bestanden, das auf der Erde Elektrum genannt wird. Die Edelsteine sahen großartig aus, und obwohl ich sie nicht genau untersuchen konnte, hatte ich das unsichere Gefühl, daß sie echt waren. In dem Mittelstück befand sich ein großer Ronil – ein purpurrotes, sehr teures Juwel –, der von einem goldenen Geflecht eingefaßt wurde. Vom Gefühl her war ich überzeugt, daß er echt und kein Straß war; aber die Juwelenschmiede auf Kregen sind unübertroffen bei der Herstellung von imitierten Edelsteinen, die beinahe auch den erfahrensten Prüfer zu täuschen vermögen. Wenn es außer dem echten Exemplar noch sieben andere von dieser Machart gab, dann hatte sich jemand außerordentlich viel Mühe gemacht, das echte Exemplar zu
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