39 - Meuchelmörder von Scorpio
laut und lebendig ihren Geschäften nach. An der Stimmung und dem Lärm hatten viele Artistendarbietungen ihren Anteil. Ich bemerkte eine Gruppe, die ihre Kunststücke auf Teppichen darbot und sich gegenseitig an den Haaren auf Pfosten hob. Ich hielt so etwas immer schon für eine ziemlich schmerzvolle Weise, sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Doch ich nehme an, daß es den Kindern im Blut steckt und ihre Haarwurzeln von dem Tag an gestärkt werden, da ihnen der erste Flaum wächst.
Direkt hinter ihnen nahm ein Feuerschlucker seine brennende zweite Mahlzeit ein. Jongleure jonglierten mit allem möglichen, eingeschlossen sich selbst. Ich habe Kunststücke mit Tieren immer gehaßt, deshalb wandte ich mich von einer halb betäubten armen Kreatur ab, die am Hals angekettet war und zur Flötenmusik tanzen mußte.
Jeder Wunsch, den Besitzer niederzuschlagen und die Ketten aufzubrechen, gehört natürlich in eine Märchengeschichte aus einem Kinderbuch. Will man sich in die Amüsements und sogenannten Vergnügungen der Leute einmischen, muß man es auf langfristige und gesetzgeberische Weise tun, wie wir es in Vallia mit dem Verbot der Sklaverei getan haben.
Mein jäher Richtungswechsel täuschte das Mädchen nicht, das mich verfolgte.
Dafür brachte er mich von Angesicht zu Angesicht mit Naghan dem Chik zusammen.
Er war völlig überrascht und tat ein paar Schritte nach hinten, wobei er einen vorbeigehenden Sklaven umstieß. Er bemerkte es nicht, und der Sklave lief weg – lautlos.
»Du Shint!« brachte er kollernd hervor.
Fing-Na näherte sich von der Seite. Sein enormer, gewichster und spitzer Schnurrbart zitterte. Den Dieben gefiel es nicht, beim Verduften erwischt zu werden.
Ich sagte strahlend: »Nanu, Lahal. Könnt ihr mich jetzt zu Kei-Wo bringen?«
»Du hast sie?« knurrte Naghan der Chik. Die Messer im Gürtel um seinen dicken Bauch wurden von einer Falte des braunen Gewandes verdeckt.
»Es ist meine Sache, es Kei-Wo zu sagen.«
»Wenn du sie hast, gib sie her. Wir nehmen sie.«
Das paßte überhaupt nicht in meine Pläne.
Natürlich war ich mir völlig über das Risiko im klaren, die Halskette persönlich im Schlupfwinkel der Diebe abzuliefern. Statt sich bei mir zu bedanken, würden sie mich nach der Übergabe eher niederzuschlagen.
»Gib sie jetzt her!«
»Nein.«
»Was ...?« Niemand würde erfahren, was Naghan der Chik sagen wollte, da ich ihn sauber am Kinn traf und er hinfiel, genau wie der Sklave, den er eben über den Haufen gerannt hatte. Der Unterschied war, daß Naghan nicht sofort wieder aufstand. Mit der gleichen Bewegung traf mein Fuß Fing-Na in den umfangreichen Bauch, und als er sich zusammenkrümmte und würgte, schlug ich ihn nieder. Er legte sich schlummernd neben Naghan den Chik.
Ich wirbelte wie ein Leemjäger herum, und meine Finger legten sich um den Hals des Mädchens, das mir seit dem Palast gefolgt war. Sollte es noch mehr Verfolger geben, würde ich mich mit ihnen auseinandersetzen, wenn sie auftauchten.
»Also, Mädchen, ich will dir nichts tun.« Ich sprach sanft und führte sie schnell vom Ort des Spektakels fort. Niemand hatte viel Notiz genommen, und ich hatte mir für den Fall, daß jemand Fragen stellen wollte, die Geschichte bereitgelegt, daß man versucht hätte, sie zu entführen.
Niemand hielt mich auf. Ihre Füße berührten kaum den Boden. Ich glaube, sie war eher schockiert als ängstlich. Schließlich hatten Naghan und Fing-Na zu den fähigsten Schurken der Bande gehört. Und sie hatte gesehen, was mit ihnen passiert war. An einer entfernten Ecke verringerte ich das Tempo und setzte sie ab.
»Also, junge Lady, wie heißt du?«
»Falima ...« Sie stammelte es zitternd.
»Falima. Ein schöner Name. Ich habe etwas, das ich Kei-Wo geben muß, darum werden wir jetzt einfach losmarschieren und zu ihm gehen.« Ich versuchte, meinen Tonfall sanft zu halten, und ich weiß, es war nicht das alte Prescot-Grollen, mit dessen Wildheit ich mein ganzes Leben gelebt hatte.
»Ja, Herr, ja. Bitte, tu mir nicht weh.«
Ich war verletzt. »Habe ich dir weh getan?«
»Nun, nein ...«
»Das wäre also erledigt. Vielleicht finde ich sogar einen Silber-Khan für dich.«
Das munterte sie auf, und sie schien sich wieder gefaßt zu haben, da sie losging. Ich legte ihr freundlich die Hand auf die Schulter und folgte ihr.
Das war nicht der Plan, den ich mir ausgedacht hatte. Ich bezweifelte ernsthaft, ob mein Handeln klug war. Unterwegs kam mir der Gedanke, daß ich
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