39 - Meuchelmörder von Scorpio
uns vom Korridor her, und wir drehten uns um, als Mevancy hereinmarschiert kam.
»Sie sind noch immer dabei«, sagte sie, nicht außer Atem, aber eilig. »Sie haben sich jetzt seit einem halben Tag hinter verschlossene Türen zurückgezogen.«
»Selbst wenn schon eine Entscheidung gefallen ist, müssen sie den Ablauf schwierig und wichtig erscheinen lassen. Und ich vermute sowieso, daß Nath der Uttarler den Ablauf durch Zögern und Zaudern aufhält.«
Wie Chandro mir versichert hatte, würden Kollegium und Rat nicht versäumen, Kirsty zur Königin zu wählen. Nachdem alle Stimmen ausgezählt worden waren, würde es einen Unterschied von einer Stimme geben, hatte Chandro gesagt. Und das würde ausreichen. Das, hatte er zuversichtlich gesagt, schloß auch die mögliche Stimme von Nath dem Uttarler für Shang-Li-Pos Faktion mit ein – wenn er es schaffte, sich aufzuraffen, und nicht vergaß, seine Stimme abzugeben.
»Shang-Li-Pos Faktion«, sagte ich. »Die Partei des Friedens.«
»Shang-Li-Pos Faktion«, sagte Mevancy. »Die Partei, die sich verkauft.«
»Das stimmt.« Kuong runzelte die Stirn. »Sie würden jeden verkaufen, um die eigene Haut zu retten.«
Ganz Makilorn wartete. Eine neue Königin wurde auserwählt. Wurden auch die meisten Beschäftigungen des Volkes von Lethargie gekennzeichnet, während sie sich auf die Freuden des Gilium für das Leben nach dem Tode vorbereiteten, so hatte ich doch schon erlebt, wie sie ihre Fesseln abschütteln konnten, um sich bei Feierlichkeiten zu amüsieren. Jetzt war ihnen ein anderes Rätsel präsentiert worden, das sie ganz in Anspruch nahm, und sie stürzten sich auf die faszinierende Beschäftigung mit der Spekulation, der Diskussion und dem Wetten über das Endergebnis.
Wir verfügten über vertrauliches Wissen. Die Bevölkerung von Makilorn wußte, daß es drei Bewerberinnen gab, und sie beurteilten sie nach ihren Vorlieben und nach dem, was bekannt war. Kuong war der Meinung, daß die meisten Leone bevorzugten. Dies schien verständlich zu sein. Schließlich war sie jung, hübsch und verfügte über eine lebhafte, Bewunderung erregende Persönlichkeit. Kirsty war ernst und streng und würde sich nichts gefallen lassen. Was Thalna anbelangte, so setzten nur sehr wenige hartnäckige Spieler auf ihren Sieg.
Die Zeit verging, und der Sand rann durch das Glas.
Die Zwillingssonnen von Scorpio, Luz und Walig, glitten über den Himmel.
Kuong ging auf und ab. Schließlich rief er aus: »Ich kann nicht mehr hierbleiben! Ich gehe zum Kollegium.«
»Da ist eine große Menschenmenge ...«, fing Mevancy an.
»O ja, natürlich. Sie lungern alle da herum, warten, wetten, hören den lächerlichsten Gerüchten zu, essen, trinken, wie eine Herde Vosks, die darauf wartet, daß das Futter in die Tränke fließt.«
»Können wir durchkommen?«
»Immerhin bin ich Trylon.«
»Umf«, sagte ich.
»Nun, Schwachkopf, es ist besser, als hier rumzusitzen!«
»Nun gut.«
In Wahrheit war mir die Aktivität willkommen, selbst wenn sie das Geschehen nicht beeinflussen konnte. Wir rüsteten uns aus und gingen schnell durch die ausgestorbenen Straßen zu dem Palast, der die Schule beherbergte.
Das Grollen der Menge schwoll an, als wir näher kamen. Wie versprochen, führte uns Kuong zum Hintereingang und erlangte ohne Schwierigkeiten Zugang. Der Palast war prächtig. Überall standen Wachen. Wir wurden zu einem Wartesaal geleitet, in dem andere Leute von Rang gespannt herumsaßen oder auf und ab marschierten. Sogar hier wurden Wetten abgeschlossen.
Die Inneren Gemächer waren verschlossen, und das Kollegium und der Rat tagten unter absoluter Geheimhaltung. Wir hörten, daß Ortyg Hanshar, der Oberste Priester, blaß, aber entschlossen hineingegangen war. Nath der Uttarler war angetroffen worden, wie er durch eine Bildergalerie spazierte, wo er die Portraits bewunderte, und man hatte ihn sanft hineingeführt, damit er seiner Pflicht nachkommen konnte. Keine Neuigkeiten erreichten uns. Die goldenen Türen belieben fest verschlossen.
»Warum diese Verzögerung?« verlangte ein elend aussehender Bursche zu wissen ...
»Sie wollen bloß ihre eigene Wichtigkeit unter Beweis stellen«, höhnte eine verdrießlich aussehende Frau mit beträchtlicher Bosheit.
Ein Mann mit dem rauhen und gefurchten braunen Gesicht der Wüste sagte: »Das sich geziemende Ritual muß im Licht von Tsung-Tan betrachtet werden.« Er war ein Strom aus einer entfernten Oase und glaubte eindeutig fest an den Gilium
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