39 - Satan und Ischariot III
zweiter, sich jeden Gegenstand, jede Lage und jedes Verhältnis nutzbar zu machen. Bald darauf hörten wir Pferdegetrappel; die Mogollons erschienen, und da gab es solches Leben am Feuer, daß wir uns unter den Fichten emporziehen konnten, ohne befürchten zu müssen, daß ein scharfes Auge ein Zeichen davon sehen werde.
Wir gingen den Weg unter den Bäumen zurück, den wir gekommen waren. Als wir den Wald und die Büsche hinter uns hatten und im Freien längs des Berges hinschritten, fragte ich Winnetou:
„Hat mein Bruder alles verstanden?“
„Alles!“ nickte er.
„Die beiden waren offener gegeneinander, als ich es für möglich hielt.“
„Ja. Jonathan hat der weißen Squaw sogar alles erzählt, was in Tunis geschehen ist. Er gleicht der Klapper eines Kindes, welche immerfort spricht, ohne eine Seele zu haben.“
„Und sie ist ebenso schlecht, wie er!“
„Noch schlechter, denn wenn eine Squaw Böses tut, so sieht das Böse viel häßlicher aus, als wenn ein Mann es tut. Es ist aber gut für uns, daß sie sich heut und hier getroffen haben.“
„Ja, es ist ganz genau nach der Voraussagung meines Bruders Winnetou geschehen. Die Mogollons haben hier lagern wollen, und das Feuer gesehen. Du sagtest, daß wir sie alle fangen würden. Denkst du auch jetzt noch, daß dies geschehen wird?“
„Ja, am ‚Tiefen Wasser‘.“
„Wo ist das?“
„Du wirst es sehen. Wir müssen dort sein, ehe sie dort ankommen.“
„Aber wir müssen doch hier auf unsere Nijoras warten! Da versäumen wir viel Zeit, und Jonathan Melton will schon mit dem Tagesgrauen reiten.“
„Das tun wir auch. Wir werden sogar noch eher aufbrechen, und den Nijoras entgegenreiten. Wenn ihr Häuptling unsere Weisungen befolgt, werden wir zur rechten Zeit auf sie treffen und noch vor Melton am ‚Tiefen Wasser‘ ankommen.“
„Dieses Wasser scheint ein See zu sein?“
„Es hat ein Berg dort gestanden, welcher Feuer gespien hat; es gibt in New-Mexiko und Arizona ja heut noch viele solcher Berge. Er ist versunken, wohl bei einem Erdbeben, und hat ein Loch zurückgelassen, in welchem sich das Wasser sammelt.“
„Liegt der See so in der Richtung nach der ‚Quelle des Schattens‘, daß die Mogollons an ihm vorüber müssen?“
„Er liegt so; dennoch könnten sie rechts oder links abweichen, werden es aber nicht tun, denn sie finden auf ihrem Weg bis zur ‚Quelle des Schattens‘ kein Wasser, an dem sie ihre Pferde tränken können; sie werden ganz gewiß hinreiten.“
„Können wir uns dort so verbergen, daß sie uns nicht vorzeitig bemerken?“
„Ja. Mein Bruder wird das sehen, wenn wir hinkommen.“
Wir waren an die Spitze des östlichen Ausläufers des Schlangenberges gekommen und wollten eben um sie biegen, als uns zwei Männer entgegen kamen. Es war hell genug, zu erkennen, wer sie waren – Emery und Dunker. Auch sie erkannten uns, und der erstere rief, allerdings in gedämpftem Ton: „Gott sei Dank, daß ihr da seid! Wir bekamen Angst um euch.“
„Und wolltet wohl gar kommen?“ fragte ich ihn. „Ihr werdet alles erfahren. Kommt mit zum Lagerplatz!“
Die Nijora-Kundschafter waren bei den Pferden geblieben. Als wir dort angelangt waren, setzte ich mich nieder und wollte erzählen; da aber meinte der Apache, welcher an alles dachte und höchst selten etwas versäumte:
„Mein Bruder mag noch warten. Nötiger als sein Bericht ist das, was ich diesem jungen Krieger zu sagen habe.“
Er wendete sich an einen der Kundschafter:
„Mein junger Bruder kennt den Weg, auf dem seine hundert Krieger, die wir erwarten, hierherkommen werden?“
„Ja“, antwortete der Gefragte.
„Er mag ihnen augenblicklich entgegenreiten. Es ist so hell, daß er sie trotz der Nacht sehen kann. Sobald er ihnen begegnet, mag er ihnen sagen, daß sie so schnell wie möglich reiten sollen, denn wir brauchen sie, um fünfzig Mogollons zu fangen. Wir werden noch vor Tagesanbruch den Berg verlassen, und ihnen entgegenreiten; sie mögen also wissen, daß sie unterwegs auf uns treffen werden. Wenn mein junger Bruder mit ihnen gesprochen hat, mag er schnell weiter zu seinem Häuptling reiten und ihm melden, daß die Krieger der Mogollons morgen abend an der ‚Quelle des Schattens‘ lagern werden. Sie werden also übermorgen am Vormittag auf der ‚Platte des Cañons‘ ankommen. Der ‚Schnelle Pfeil‘ muß sich also schon vorher mit seinen dreihundert Leuten dort heimlich aufgestellt haben. Das ist die Botschaft, welche wir ihm senden.
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