39 - Satan und Ischariot III
können.“
„Sie haben es verdient. Wenn ihnen ihr Vorhaben geglückt wäre, hätten sie viele meiner Krieger getötet und dann auch noch andere Greueltaten begangen.“
„Das ist richtig; aber du hättest doch Wort halten sollen. Winnetou hat noch nie das seinige gebrochen.“
Nach diesem Verweis wendete er sich an mich:
„Mein Bruder hat eine große Heldentat vollbracht. Man wird an allen Orten davon erzählen. Wie steht es an der ‚Quelle des Schattens‘?“
„Gut. Wir haben die Bedeckung des Wagens ergriffen, und die Gefangenen sind gut bewacht.“
„Und wie steht es mit meinem lieben Bruder? Der Fall vom Pferd war schwer. Hat er dir Schaden getan?“
„Meine Glieder sind ganz geblieben.“
„So schone dich! Die kleinste Verletzung kann die schlimmsten Folgen tragen. Du hast mehr als genug getan; was noch zu tun ist, das mögen andere Leute tun.“
„Ich fühle mich beinahe wieder so wohl wie vorher. Du hast zwei Krieger der Mogollons mitgebracht. Wahrscheinlich soll eine Beratung stattfinden?“
„Ja; sie wollen mit ihrem Häuptling sprechen.“
„Hier liegt er. Er hat sich noch nicht geregt. Hoffentlich hat er nicht den Hals gebrochen.“
„Ich werde ihn untersuchen.“
Er beugte sich zu ihm nieder, und meldete nach einer Weile:
„Es ist ihm weiter nichts geschehen, als daß er mit dem Kopf auf den Felsen aufgeschlagen ist. Er wird nach einiger Zeit erwachen, und wir müssen also solange warten.“
„So werde ich inzwischen in den Hohlweg zu meinen Nijoras gehen. Ich muß einen zu Emery nach der ‚Quelle des Schattens‘ senden.“
„Um ihm unseren Sieg zu verkünden?“
„Ja, und auch um ihn mit allen, die sich bei ihm befinden, herbeizurufen.“
„Daran tut mein Bruder recht, denn sonst würde Emery den zurückkehrenden Mogollons begegnen.“
Ich stand auf und ging fort. Winnetou hatte gesagt: ‚Sonst würde Emery den zurückkehrenden Mogollons begegnen.‘ Das war wieder einmal ein Beweis, wie innerlich wir miteinander einverstanden waren, ohne daß wir miteinander über den Gegenstand zu sprechen brauchten. Er wollte die Mogollons zurückkehren, sie also nicht als Gefangene der Nijoras gelten lassen, und das war auch meine Ansicht.
Die ersten Schritte, welche ich vorwärts tat, verursachten mir ziemliche Schmerzen, welche ich aber ertragen mußte. Dann minderten sie sich ein wenig, doch nicht viel. Dennoch gab ich mir Mühe, gerade und mit erhobenem Haupt über die Platte zu gehen und dem Hohlweg zuzuschreiten. Als ich mich dem Wald näherte, riefen mir die dort befindlichen Nijoras frohlockend zu. Links, in der Nähe des Cañonrands, hockten die Mogollons in drei langen Reihen am Boden, wobei jeder den Zügel seines hinter ihm stehenden Pferdes hielt. Sie sahen mich kommen und blieben, indem ich vorüberschritt, mit ihren Augen an mir hängen, ohne eine Miene zu verziehen; dabei aber flogen zwischen ihnen aus den halbgeöffneten Lippen leise Worte hin und her, und ich sah ihnen an, daß der Sturz vom Pferd mich bei ihnen doch nicht in Unehre gebracht hatte.
Als ich einen Nijora als Boten abgeschickt hatte, kehrte ich wieder zu Winnetou zurück. Die beiden Mogollons hatten sich auf der Stelle, an welcher sie vorhin gestanden hatten, niedergesetzt. Winnetou saß neben ihrem Häuptling; ich setzte mich an die andere Seite desselben, und der ‚Schnelle Pfeil‘ hockte sich nach Indianerart uns gegenüber nieder.
Nach einiger Zeit begann der ‚Starke Wind‘ sich zu regen. Er wollte erst die Arme und dann die Beine bewegen, vermochte das aber nicht, weil er gefesselt war; dann schlug er die Augen auf. Sein erster Blick fiel auf mich. Er starrte mich eine Weile an, und fragte dann:
„Ein Bleichgesicht! Wer bist du?“
„Man nennt mich Old Shatterhand“, antwortete ich.
„Old Shatterhand!“ wiederholte er mit sichtlichem Schreck. Dann schloß er die Augen. Er schien nachdenken zu wollen, aber seine Gedanken schwer sammeln zu können, wie ich aus dem Spiel seiner Mienen ersah. Dann hob er die Lider wieder empor und sagte:
„Ich bin gefesselt. Wer hat mich binden lassen?“
„Ich.“
Wieder schloß er die Augen; als er sie dann öffnete, hatten sie einen helleren Glanz. Die Besinnung war ihm jetzt vollständig zurückgekehrt. Er schien mich mit seinem Blick durchbohren zu wollen, als er sagte:
„Ich besinne mich. Du kamst auf dem Wagen, sprangst herab zur Erde und dann auf mein Pferd. Weiter weiß ich nichts, denn du nahmst mich beim Hals, um mich zu
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