39 - Satan und Ischariot III
erwürgen.“
„Du irrst. Ich wollte dich nicht erwürgen, nicht töten, sondern dich nur einstweilen unschädlich machen. Das ist mir gelungen.“
„Ja, es ist dir gelungen. Ein Bleichgesicht springt auf mein Pferd, reitet mit mir fort, betäubt mich und macht mich zum Gefangenen. Wer so kühn gewesen wäre, mir vorher zu sagen, daß dies möglich sei, dem hätte ich mit meinem Tomahawk den Kopf gespalten. Ich darf mich nie wieder vor meinen Kriegern sehen lassen. Es ist eine Schande, in dieser Weise gefangen zu werden.“
„Nein. Es ist nie eine Schande, von Winnetou oder Old Shatterhand besiegt zu werden.“
„Aber du wirst mir meine Medizin nehmen!“
„Nein. Ich lasse sie dir; du darfst sie behalten.“
„Oder meinen Skalp!“
„Auch den nicht. Hast du jemals gehört, daß einer der beiden, die ich nannte, einen Feind skalpiert hat?“
„Nein.“
„Du wirst also sowohl deinen Skalp, als auch deine Medizin behalten; glaubst du noch immer, daß du dich vor den Deinen nicht mehr sehen lassen darfst?“
„Nein. Ich weiß jetzt, daß ich mich nicht zu schämen brauche. Old Shatterhand hat Häuptlinge geworfen, welche noch nie besiegt worden waren; sie waren vorher berühmt, und sind auch dann berühmt geblieben. Aber bist du nicht in dem Pueblo der Yumas gewesen?“
„Ich war dort mit Winnetou.“
„Wie seid ihr dann geritten?“
„Nach dem Berg der Schlangen, und von da aus hierher.“
Ich sagte ihm damit die Wahrheit, ohne ihm die näheren Einzelheiten mitzuteilen. Er betrachtete mich lange mit einem nachdenklich schlauen Blick, und fragte dann:
„Bist du unterwegs nicht von einem Bleichgesicht angegriffen worden?“
„Ja.“
„Woher hast du den Wagen, auf dem du saßest, als du kamst?“
„Der Wagen gehört jetzt mir“, antwortete ich ausweichend.
„Uff! Noch niemand hat gehört, daß Old Shatterhand und Winnetou im Wagen fahren! Wo ist Winnetou?“
„Hier an deiner anderen Seite.“
Er hatte nach mir gewendet gelegen, und Winnetou noch nicht gesehen. Jetzt drehte er sich zu ihm und sagte:
„Der berühmte Häuptling der Apachen hat meine Krieger geschont; er wollte nicht auf sie schießen lassen. Wie viele Krieger der Nijoras sind hier vorhanden?“
Ich antwortete an Winnetous statt:
„So viele, daß ihr ihnen nicht entgehen könnt.“
„Weshalb hatten sie die ‚Platte des Cañons‘ umzingelt?“
„Um euch zu fangen.“
„Aber wußte er denn so gewiß, daß wir heute kommen würden?“
„Erst nicht. Er hat es später von mir erfahren.“
„Du?“ fragte er erstaunt. „Von wem hast denn du es erfahren?“
„Von dir. Ich habe dich am ‚Weißen Felsen‘ belauscht, als ihr Beratung hieltet.“
„Uff! Am ‚Weißen Felsen‘? Die Beratung wurde mitten in unserem Lager gehalten!“
„Ich weiß es, denn ich war dort. Ihr redetet so laut, daß ich jedes Wort zu hören vermochte. Ich war den Fluß herabgeschwommen, und legte mich gerade hinter dir am Ufer hin. Als ich genug gehört hatte, schwamm ich weiter, bis ich aus dem Lager kam. Da die Nijoras meine Freunde sind, du mich aber fangenlassen wolltest, habe ich sie natürlich schleunigst benachrichtigt und ihnen den Rat gegeben, euch hier auf der ‚Platte des Cañons‘ zu erwarten.“
„So bist also du es, dem wir unsere Niederlage zu verdanken haben?“
„Ja.“
Es war ein ganz eigentümlicher Blick, den er lange auf mir ruhen ließ; es lag nicht Haß, nicht Rache oder dergleichen darin. Dann fragte er:
„Hast du alle gesehen, welche an der Beratung dort am Wasser teilgenommen haben?“
„Ja. Es war auch ein Bleichgesicht dabei, welches Melton heißt.“
„Der Mann sagte uns, daß du unser Feind seist!“
„Er hat euch belogen. Old Shatterhand ist der Freund aller roten Männer, die sich nicht feindlich zu ihm verhalten.“
„Weißt du, wo sich Melton jetzt befindet?“
„Er wird seiner weißen Squaw entgegengeritten sein, mit welcher er in ihrem Pueblo wohnte.“
Diese diplomatische Antwort befriedigte ihn, wie ich aus seiner Miene ersah. Er nahm an, daß wir Melton mit seinen fünfzig Kriegern nicht begegnet seien, und mochte von diesem Rettung erhoffen. Dann fragte er weiter:
„Bist du an der ‚Quelle des Schattens‘ gewesen?“
„Ja, am Abend nach eurer Beratung, als ich mich unterwegs zu den Nijoras befand.“
Nach einem längeren Sinnen fuhr er fort:
„Warum sitzen die beiden alten Krieger meines Stammes hier?“
„Sie sind gekommen, sich mit dir zu beraten über die
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