39 - Satan und Ischariot III
sie nicht, weil die Männer, als sie nach unten stiegen, die Leitern mit nach außen genommen haben. Die anderen Familienglieder können also nicht eher heraus, als bis die Krieger wieder heraufkommen und die Leitern in die Löcher hinablassen.“
So huschten wir unhörbar von einer Terrasse immer auf die nächst tiefere herab, bis wir auf der vierten angekommen waren, an welcher die Leiter zu unserem Leidwesen nicht außen lehnte; sie steckte in dem Loch.
„Das ist gefährlich“, raunte mir Winnetou zu. „Es kann jeden Augenblick jemand heraufkommen und uns sehen. Wir müssen fort!“
„Wieder aufwärts?“
„Nein, auf die nächste Plattform hinunter.“
„Aber wie? Es gibt ja keine Leiter da, und aus dem Loch ziehen können wir sie doch unmöglich, weil man das sofort bemerken würde.“
„Wir holen uns die vorige her, auf welcher wir soeben herabgekommen sind.“
„Nein. Es könnte jemand hier aus der Wohnung kommen, die Leiter sehen, welche gar nicht hergehört, Verdacht schöpfen und Lärm machen.“
„So müssen wir ohne Leiter hinab!“
„Aber wie?“
„Wir helfen einander. Komm!“ Die Etagen waren nicht viel über vier Ellen hoch; man konnte also notgedrungen auch ohne Leiter hinab, aber freilich nicht springen, weil dies Lärm verursacht hätte. Wir krochen nach der Kante unserer Plattform vor. Aus dem Eingangsloch der tieferen Terrasse glänzte ein sehr matter, kaum bemerkbarer Lichtschein zu uns herauf.
„O weh!“ flüsterte ich dem Apachen zu. „Da unten liegt die dritte Plattform, als die Decke des zweiten Stockwerkes, in welchem Melton der Vater wohnt. Er ist in seiner Wohnung und hat Licht. Das ist höchst gefährlich für uns, zumal wir keine Leiter haben und also befürchten müssen, Geräusch zu verursachen.“
„Um so schneller müssen wir hinab. Ich werde meinen Bruder an seinem langen Bärentöter hinunterlassen; dann mag er sich hart an die Mauer stellen, damit ich auf seine Schultern steigen kann.“
Ich gelangte auf die angegebene Weise glücklich hinunter. Winnetou stieg von oben auf meine Schultern. Um ihm dann mit meinen verschlungenen Händen eine weitere, tiefe Stufe zu geben, mußte ich das Gewehr weglegen; ich lehnte es an die Mauer neben mich. Der Apache trat in meine Hände und wollte von da den einen Fuß auf den Boden setzen; der Schritt war aber zu weit; er strauchelte, stieß an den schweren Bärentöter, und dieser stürzte, einen lauten, schweren Schlag verursachend, um. Und das gerade über der Wohnung des alten Melton!
„Schnell fort und an das äußerste Ende der Terrasse!“ flüsterte ich. „Dann niederducken; denn er wird höchstwahrscheinlich kommen!“
Wir huschten auf dem Dach hin und bis zum Ende desselben, wo wir uns platt niederlegten. Kaum war dies geschehen, so sahen wir den Alten erscheinen. Er kam mit dem ganzen Oberkörper aus dem Loch, und fragte im Pueblodialekt laut:
„Payu ti-i – ist wer hier?“
Als er keine Antwort bekam, stieg er vollends heraus und schritt langsam über die Plattform hin, glücklicherweise in uns entgegengesetzter Richtung. Er hatte Verdacht geschöpft. Als er auf jener Seite nichts sah, kam er auf diese, doch nicht soweit, daß er uns sehen konnte. Dann kehrte er an das Loch zurück und stieg hinab. Als seine Gestalt verschwunden war, krochen wir hin und blickten vorsichtig hinab. Da das Loch nur so groß war, daß ein starker Mann hindurch konnte, so war von dem unter uns liegenden Raum nicht viel zu sehen. In die viereckige Stelle, welche wir überblickten, ragten zwei Beine eines Stuhles herein; das war alles, was sich unseren Augen bot. Das Licht brannte jedenfalls nicht unter uns, sondern in einem nebenanliegenden Gemach. Ein leises Hüsteln ließ sich von Zeit zu Zeit vernehmen, sonst war es still. Thomas Melton befand sich jedenfalls allein da unten.
„Was tun wir?“ fragte ich den Apachen leise.
„Wir müssen ihn haben“, antwortete er. „Er hat niemand bei sich; besser können wir ihn nicht bekommen.“
„Aber wie! Wollen wir hinab?“
„Nein. Ehe einer von uns hinunter käme, hätte er ihn bemerkt und machte Lärm oder griff gar zu den Waffen, was noch schlimmer wäre.“
„So muß er herauf!“
„Ja. Ruf ihn! Aber nicht mit lauter Stimme, sonst merkt er, daß es eine fremde ist.“
„Gut, ich werde ihn täuschen. Nimm du ihn bei der Kehle, aber gleich so, daß er keinen Laut ausstoßen kann. Das übrige tue dann ich.“
Ich beugte mich in das Loch hinab und rief in
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