4 Meister-Psychos
war das Verhältnis zwischen Dr. Randolph und seiner Frau? Oder
kurz: Hatten Sie den Eindruck, daß die Ehe glücklich war?«
Er wartete gespannt.
Sie senkte den Blick und
spielte nervös mit ihrer Handtasche. Dann sah sie ihn an.
»Ich glaube — sie lebten mehr
nebeneinander her. Es ging alles lautlos, es gab keinen Streit, wenigstens habe
ich keinen bemerkt in den ganzen drei Jahren — aber — es ging zu lautlos, das
war es.«
»Ich verstehe. Noch eine Frage,
Fräulein Wenzel. Gibt es für Sie einen Anhaltspunkt dafür, daß Dr. Randolph
wegen des ›Nebeneinanderlebens‹, wie Sie sagten, einen Ausgleich suchte? Hatte
er eine Freundin? Kennen Sie eine Dame, die seine Freundin gewesen sein
könnte?«
»Nein«, sagte sie lebhaft. »Das
— das könnte ich mir von ihm auch gar nicht vorstellen. Das paßte nicht zu
seinem Charakter.«
»Sie meinen, er hätte es gar nicht
fertiggebracht, seine Frau zu betrügen?«
»Ja.«
»Aha.«
Er dachte eine Weile nach. »Um
auf den gestrigen Abend zurückzukommen: Ist Ihnen sonst noch irgend etwas
aufgefallen?«
Sie überlegte. »Eigentlich
nicht.«
Eigentlich bedeutet das
Gegenteil, dachte der Kommissar.
»Nur«, fuhr sie fort, »der
Doktor hatte es etwas eilig — er sagte, er wolle bis sieben fertig sein.«
»War das so ungewöhnlich?«
»Es kam schon immer mal vor —
wenn er eingeladen war oder zu einem wissenschaftlichen Abend wollte.«
»Wissen Sie, was er gestern
vorhatte?«
»Nein. Aber irgend etwas muß
gewesen sein, denn er nahm sich nicht die Zeit wie sonst.«
»So. Na vielleicht finden wir
das noch heraus. Ja, das wäre dann erst einmal alles, Fräulein Wenzel. Ich bin
Ihnen sehr dankbar für Ihre Auskünfte. Sie bekommen Bescheid, wenn wir Sie noch
brauchen sollten.«
Er stand auf, reichte ihr die
Hand und blieb hinter dem Schreibtisch stehen. »Fräulein Wenzel«, rief er ihr
nach, als sie durch die Tür trat, »noch eine letzte Frage — bleiben Sie bei
Frau Dr. Randolph, wenn sie die Praxis übernehmen sollte?«
»Nein«, sagte sie hart.
Nun wußte er, daß sie Ilse
Randolph haßte.
Er sah auf die Uhr. Halb fünf.
Genug für heute, fand er. Morgen vormittag wollte er ein paar Erkundigungen
einziehen und dann Julia von Herlyn noch mal vernehmen. Hoffentlich war die
Auskunft von der Steuer dann zurück. Wenn sie mit den Auskünften so schnell bei
der Hand war wie beim Einziehen des Geldes, war ja nichts zu befürchten. Es
mußte über Julia eine Brücke zu diesem Marohn geben, da wollte er einen Besen
fressen.
Er verließ das Präsidium. Seine
Wohnung lag nicht weit entfernt. Als er die Tür aufschloß, vernahm er ein
drohendes Geknurr, und der Dackel Mink fiel ihm ein. Nogees staunte über sich
selbst. Der Hund einer mutmaßlichen Mörderin in Obhut des Leiters der
Mordkommission! Da mußte ja der Staat zugrunde gehen. Aber er hatte keine
Möglichkeit gefunden, den Hund anderswo unterzubringen, und, ehrlich gesagt, er
hatte sich auch nicht groß bemüht. Herr Mink beschnupperte ihn und sah ihn dann
mit schief geneigtem Kopf an.
»Du mußt auf die Straße, mein
Guter«, sagte Nogees. »Aber natürlich. Komm her.«
Er hakte die Leine ans
Halsband. Er hielt an sich nicht viel vom Spazierengehen, er lag abends lieber
auf seinem Balkon und las, aber Herr Mink zog ihn fort, vorbei an Geschäften,
Häusern und Menschen, bis der Park ihnen seine grüne Pracht öffnete.
Nogees dachte an Marohn, den
Geheimnisvollen. Er verspürte einen Ruck in seinem rechten Arm und schrak aus
seinen Gedanken auf.
Der Hund hatte sich losgerissen
und schoß wie eine Rakete durch das Gelände — in Richtung auf eine Bank, auf
der ein Mann in heller Windjacke saß, lässig an die Lehne gestützt. Nogees war
starr. Der Hund sprang auf die Bank, überkugelte sich, fiel wieder herunter und
stieß ein markerschütterndes Freudengeheul aus. Die Passanten blieben stehen
und freuten sich. Der Mann war aufgestanden, in seinen Zügen malte sich
maßloses Erstaunen. Der Hund sprang quiekend an ihm hoch, in ungeheuren Sätzen,
fast bis zur Brust, und versuchte sich festzuklammern.
»Mink«, sagte der Mann, »mein
Meink! Wie kommst du denn hierher? Und wo ist unser Frauchen? Wollt ihr mich
abholen?« Voller Erwartung wandte er sich um, aber er sah nur den Kommissar
Nogees, der ihn aus zusammengekniffenen Augen musterte. Der Zusammenhang war
Nogees glasklar.
»Sind Sie Peter Marohn?« fragte
er scharf.
»Allerdings«, antwortete der
andere fröhlich. »Und ich möchte
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