4 Meister-Psychos
Dunkel!
Frau Randolph sah ihn erstaunt
an. »Hat das eine Bedeutung?«
»Nein«, sagte er langsam, »noch
nicht. Wäre es möglich, daß Ihr Gatte diesen Mann im Krieg noch einmal
getroffen hat? Oder später?«
»Er hat mir nie etwas gesagt.«
»So. Und Sie haben nichts mehr
von ihm gehört? Keine Nachricht, kein Brief? Sie haben ihm doch schließlich die
Pistole gegeben und riskiert, von Ihrem Mann Vorwürfe deswegen zu bekommen!«
»Nein«, antwortete sie, »ich
habe nichts wieder gehört.«
Aber diesmal merkte der
Kommissar, daß sie log.
IV
Als sie fort war, saß er in tiefes
Nachdenken versunken. Eigenartige Ehe. Sie mußte stets tun, was er wollte.
Meist war es umgekehrt. Es mußte für eine Frau nicht gerade sehr angenehm
gewesen sein, mit Randolph zusammenzuleben. Erst vorhin hatte er erfahren, daß
sie auch Ärztin war — aber Randolph litt nicht, daß sie weiter in ihrem Beruf
blieb. »Er hielt nichts von Ärztinnen«, hatte sie gesagt, gleichsam um ihn zu
entschuldigen. Jetzt wollte sie versuchen, die Praxis weiterzuführen. Na,
sollte sie. Als Täterin kam sie kaum in Betracht — aber da war dieser Marohn.
Er mußte mit ihr noch in Verbindung gestanden haben. Wie, wenn sie ihn liebte
und ihn zu dem Mord angestiftet hatte? Gar nicht so schlecht. Sie selbst hatte
ihr Alibi, Marohn war der Dumme. Aber wie sollte er den finden? Und was hatte
die schöne Julia damit zu tun? Auf jeden Fall hatte er nun einen neuen
Ansatzpunkt. Das schöne Kind sollte ruhig noch auf dem staatseigenen Bett
Prinzessin auf der Erbse spielen, um so gesprächiger würde sie morgen sein.
Steinmann erschien. »Fräulein
Wenzel, Herr Kommissar.«
»Sie mag eintreten.« Nogees
liebte zuweilen blumige Reden, und er war jetzt besserer Laune als vorhin.
Anita Wenzel kam, schüchtern
und unansehnlich. Man sah, daß Dr. Randolph mehr Wert auf Leistung als auf
äußere Schönheit gelegt hatte.
»Nehmen Sie Platz, Fräulein
Wenzel«, sagte Nogees freundlich. Das Mädchen dankte und setzte sich. Es war
blaß, und unter den Augen lagen tiefe Ränder. Der Tod ihres Chefs, zu dem sie
wie zu einem höheren Wesen aufgeschaut hatte, mußte sie schwer erschüttert
haben. Aber der Umstand, daß auch sie Nogees aus der Sprechstunde kannte,
milderte ihre Befangenheit und Furcht.
»Ich möchte einige Auskünfte
von Ihnen, Fräulein Wenzel. Wie lange waren Sie bei Dr. Randolph?«
»Fast drei Jahre«, erwiderte
sie. »Seit Juni neunundvierzig.«
»Arbeiteten Sie gern bei Dr.
Randolph?«
Ihre Augen leuchteten auf.
»Sehr«.
»So? Darf ich fragen, aus
welchen Gründen?«
»Ja — er — er war immer
gleichmäßig — kannte keine Launen. Und er war gerecht. Wenn er mich auf einen
Fehler aufmerksam machte, hatte ich nie das Gefühl, daß es zu Unrecht geschah.«
Nogees nickte. Das konnte er
sich vorstellen.
»Kannten Sie alle seine
Patienten?«
»Nicht alle. Manche
Privatpatienten bekam ich überhaupt nicht zu Gesicht. Die behandelte er abends
allein.«
»Führte er eine Kartei?«
»Ja, sehr genau sogar.«
»Glauben Sie, daß einzelne
Fälle nicht in der Kartei geführt wurden?«
»Eigentlich nicht. Aber ich
bekam ja die Privatkartei nicht in die Hand.«
Der Kommissar griff in die
Schublade und zog Julias Ausweis mit ihrem Bild hervor. »Kennen Sie diese Dame?
Haben Sie sie gestern oder früher einmal in der Sprechstunde gesehen?«
Das Mädchen betrachtete das
Bild genau und schüttelte dann den Kopf.
»Nein, niemals.«
»Sagt Ihnen der Name etwas? Herlyn?«
»Auch nicht.«
»Haben Sie den Namen Marohn mal
gehört? Peter Marohn?«
»Nein. Soll das ein Patient
sein?«
»Es wäre möglich. Nun erzählen
Sie mir bitte von gestern abend. Verlief alles wie gewöhnlich?«
»Ja. Ich ging um sechs weg.
Drei Private waren noch da.«
»Kannten Sie sie?«
»Einen!«
»Wer war das?«
»Ein Doktor Wartzin — er ist
Rechtsanwalt oder Richter — er kam öfter.«
»So. Wann kam die Frau Doktor
herunter?«
Ihre Lippen preßten sich etwas
zusammen, es entging dem Kommissar nicht.
»Gegen halb sechs. Sie ging zum
Chef rein und sprach einige Minuten mit ihm.«
»Fiel Ihnen etwas Besonderes an
ihr auf, als sie herauskam? War sie erregt?«
»Nein, ich hatte nicht den
Eindruck.«
»Ging sie öfter allein weg?«
»Nein. Meistens gingen sie
zusammen.«
Er schwieg einige Zeit, dann
fragte er in anderem Tone:
»Fräulein Wenzel — ich bin
Ihnen nicht böse, wenn Sie auf die nächste Frage nicht antworten wollen oder
können. Wie
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