4 Meister-Psychos
Freundin Ihres Mannes gewesen ist?«
Sie sah ihm gerade ins Gesicht.
»Nein, das könnte ich nicht. Mein Mann hatte in dieser Beziehung äußerst feste
Grundsätze. Er ging nie allein fort, und er duldete in unserer Bekanntschaft
keine Leute, von denen er wußte, daß sie in ihren Ehen und Freundschaften — wie
soll ich sagen — großzügig verfuhren. Nein, das halte ich für
unwahrscheinlich.«
Nogees wechselte das Thema.
»Wissen Sie, ob Ihr Mann Feinde hatte?«
»Ich kenne keine.
Selbstverständlich gab es Unstimmigkeiten. Aber die Zahl der Leute, auf die
mein Mann nicht gut zu sprechen war, ist sicher größer als die derer, die gegen
ihn etwas hatten. Er dachte und urteilte über alles sehr streng.«
»So. Haben Sie gestern im Laufe
des Tages irgend etwas Auffälliges im Verhalten Ihre Mannes bemerkt?«
»Nichts. Er war wie immer.« Sie
sagte das mit auffallender Betonung. So schlecht oder so gut wie immer, fragte
sich Nogees.
»Und würden Sie mir noch einmal
schildern, was Sie gestern abend taten?«
»Ich war in der Wohnung bis
gegen halb sechs. Dann ging ich in die Praxis und sagte meinem Mann, daß ich
ins Kino gehen wolle.«
»Gingen Sie oft allein?« fragte
Nogees.
»Ins Kino, ja. Mein Mann hielt
nichts davon, er ging nur ins Theater oder in die Oper.«
»Ja. Bitte weiter. Waren noch
Patienten da?«
»Fünf oder sechs.«
»Die Sprechstundenhilfe?«
»Auch. Sie geht meist um sechs.
Die Privatpatienten empfing mein Mann allein.«
»Kennen Sie die Patienten Ihres
Gatten?«
»Nur wenige. Sie zum Beispiel.«
Sie lächelte ein bißchen.
»Welchen Film haben Sie
gesehen?«
»Orphée von Cocteau. Er wurde
wiederholt, und ich wollte ihn gern noch sehen.«
»Verständlich. Und weiter.«
Das Weitere wissen Sie«, sagte
sie leise, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Das Stück war kurz nach
acht zu Ende. Ich rief an, und...« Sie sprach nicht weiter. Er wartete eine
Weile, bis sie sich beruhigt hatte.
»Riefen Sie immer an, wenn Sie
fort gewesen waren, oder taten Sie das nur gestern?«
»Immer. Mein Mann richtete sich
dann meist so ein, daß er fertig war, wenn ich kam.«
»Ja. Und nun sagen Sie mir
bitte — Sie sprachen gestern von der Waffensammlung und dem Revolver — ist es
möglich, daß Ihr Mann die Waffe bis jetzt aufgehoben hat?«
»Nein. Er war bei Kriegsschluß
in Gefangenschaft. Ich habe selbst sofort nach dem Einmarsch sämtliche Waffen
abgegeben, obwohl sie zum Teil nur Sammlerwert besaßen und nicht mehr als Waffe
zu gebrauchen waren. Mein Mann war auch viel zu korrekt, als daß er gegen den
Befehl verstoßen und uns gefährdet hätte. Er schrieb mir ausdrücklich, die
Waffen sofort abzuliefern, obwohl er sehr an ihnen hing.«
»Hm. Und Sie wissen, daß dieser
Revolver in der Sammlung war?«
»Ja — ich glaube schon...«
»Wieviel Pistolen waren es
ungefähr im ganzen, gnädige Frau?«
»Ich weiß es nicht genau —
bestimmt 20 bis 30 Stück.«
»So viele? Wie kommt es, daß
Sie sich gerade an dieses Modell so deutlich erinnern?«
Sie zeigte keinerlei
Verlegenheit.
»Wir hatten einen Bekannten —
einen Feldunterarzt, der damals im Krieg noch studierte. .Er wurde ins Ausland
abkommandiert und brauchte eine Waffe. Ich ließ ihn sich eine aussuchen — und
soweit ich mich erinnere, nahm er einen solchen Revolver — diesen oder einen
ähnlichen.«
»Wußte Ihr Mann davon?«
»Nein, er hätte es nicht
zugelassen.«
Sieh mal an, dachte Nogees. Sie
war auch manchmal ungehorsam.
»Wie hieß der Herr?«
»Peter Marohn. Ich habe ihn
nicht wiedergesehen und weiß nicht, was aus ihm geworden ist.«
Nogees notierte den Namen.
»Immerhin ein Anhaltspunkt. Wie stand dieser Marohn mit Ihrem Mann?«
Ihr Zögern entging ihm nicht.
»Nicht gerade schlecht — er gab sich kaum mit ihm ab, er war ihm zu alt.«
»Und — verzeihen Sie, wenn ich
noch einmal danach frage — war irgendein Grund für ein tieferes Zerwürfnis
vorhanden?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das
kann ich nicht sagen. Nur — höchstens« — sie errötete, und es stand ihr gut —
»Mein Mann war vielleicht ein bißchen eifersüchtig auf Marohn.«
»Hatte er Grund?« wollte Nogees
fragen, aber er bezwang sich. Gerade das hätte ihn maßlos interessiert. Statt
dessen fragte er: »Wissen Sie, woher dieser Marohn stammte?«
»Ich glaube, aus Jena«,
erwiderte sie, und der Kommissar horchte auf.
Die Hundemarke!
Dann war also Marohn in der
Nähe, und das Mädchen wußte von ihm! Ein Lichtblick im
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