4 Meister-Psychos
erbleichte. Aber er faßte sich schnell.
»Herr Kommissar? Tun Sie mir
auch mal wieder die Ehre an? Das ist brav, daß Sie einen alten Bekannten nicht
vergessen!«
Während dieser freundlichen
Rede durchsuchte er sein Gedächtnis blitzschnell nach einem Fehler bei der
Ausführung des letzten Streifzuges. Hatte doch alles geklappt, was wollte der
fette Kerl bloß?
»Ich sehe, wie Sie sich freuen,
Ignaz«, sagte der Kommissar. »Selten sah ich einen solchen Widerschein der
Freude auf eines Menschen Antlitz. Wie geht das Geschäft?«
»Es gibt bessere als meins.
Aber was soll ich machen. Arbeiten und nicht verzweifeln.«
»So ist es recht«, sprach
Prendl bewegt. »Den Staat erhält der Fleiß der Bürger.« Er sah sich um.
»Wirklich eine nette Werkstatt.
Man sollte nicht glauben, was die Leut’ für Reifen zusammenfahren.«
Er wandte sich zwischen den
Reifenstapeln herum und schnupperte genießerisch den Duft des Gummis. Aichinger
beobachtete ihn aus den Augenwinkeln.
»Was Bestimmtes, Herr
Kommissar? Brauchen Sie einen neuen Reifen?«
»Nicht, nichts, Ignaz. Bin ganz
zufällig vorbeigekommen, ganz zufällig. Und Autofahren ist nichts für mich. Was
machen Frau und Kinder?«
»Oh, danke, Herr Kommissar.«
Und Aichinger berichtete mit zärtlicher Stimme von seinem Familienglück,
beteuerte, daß er mit seinem Ältesten nur Freude habe, wirklich nur Freude, nur
mit der Alten gab es manchmal Ärger, aber, na, der Kommissar wisse ja, wie das
sei, und Prendl nickte, doch, doch, er wußte, wie das war. Und so plätscherte
das Gespräch dahin, und Herrn Achinger wurde leichter und leichter ums Herz.
Tatsächlich, es schien Zufall zu sein, er wußte nichts von den Reifen und
fragte nicht nach Leopold. Dank dem Allmächtigen!
Dann wandte er sich zum Gehen,
und Aichinger schüttelte mit Wärme seine Hand. »Behüt Sie Gott, Herr Kommissar.
Beehren Sie mich mal wieder!«
Prendl versprach es.
Gemächlichen Schritte strebte er dem Ausgang von Ignaz Aichingers Werkstatt zu,
gleich war er draußen — da drehte er sich auf der Schwelle um.
»Ach, Ignaz — was ich noch
fragen wollte — möchten Sie mit Leopold zusammen in eine Zelle, oder sind Sie
mehr für die beschauliche Einsamkeit?«
Es ist nicht ohne weiteres zu
beschreiben, welche Gefühle Herrn Aichingers Brust bei dieser Rede durchwogten.
Sein Hals trocknete aus, seine Augen quollen hervor, er wußte nicht, ob er
lachen oder weinen sollte, er glaubte zu träumen. Aber die klaren, harten Augen
in den lustigen Fettpolstern durchbohrten ihn, hielten ihn fest in der
Wirklichkeit, und er mußte sich setzen.
Prendl kam langsam zurück.
»Der Reifen rollt so lange zum
Brunnen, bis er hineinfällt, Ignaz. Leopold sitzt schon. Es geht ihm aber gut.
Wie war es denn in Harlaching?«
Aichinger atmete schwer, er sah
nicht auf.
»Ja, Ignaz«, fuhr Prendl fort,
»einmal wäre ja noch hingegangen — aber zwei Diebstähle an einem Abend — erst
in Harlaching und zwei Stunden später...«
Aichinger fuhr auf. »Das ist
eine verdammte Lüge von dem Horvath, diesem Halunken. Mich will er in seinen
Dreck mit hineinziehen, das könnte ihm so passen! Nichts da, Herr Kommissar!
Das in Harlaching — gut, da war ich dabei, aber von der anderen Sache weiß ich
nichts und will ich nichts wissen — da soll mich doch gleich der Blitz...«
»Vorsicht, Ignaz, Vorsicht«,
wehrte Prendl ab. »Schließlich bin ich mit im Raum. Wann war denn die Sache in
Harlaching?«
Aichinger wischte sich den
Schweiß von der Stirn.
»Zwei Wochen ist’s ungefähr her
— ein Freitag war es — wir trafen uns im Bärenkrug.«
»So? Wann denn?«
»Um sieben. Der Leopold ist
nämlich nie pünktlich, und diesmal kam er auch erst um halb acht an, der Bazi.«
»Unglaublich.« Prendl
schüttelte bekümmert sein dickes Haupt. »Kein Verlaß mehr auf die Menschen
heutzutage. Und wann stieg die Sache?«
»Wir mußten warten, bis es
dunkel wurde. So zwischen neun und halb zehn, denke ich, sind wir losgegangen —
die Reifen waren schon ziemlich runter — höchstens noch vierzig Prozent —
bestimmt, Herr Kommissar, höchstens vierzig Prozent!«
»Hm, hm. Und hinterher?«
»Bin ich sofort nach Hause,
Herr Kommissar. Punkt zehn war ich hier. Meine Alte kann es Ihnen
bestätigen...«
»Ich glaub’s auch so«, sagte
der Kommissar zu Aichingers ungeheurem Erstaunen. »Und die Wartezeit saßen Sie
mit Leopold im Bärenkrug?«
»Die ganze Zeit, Herr
Kommissar. Wir mußten doch warten...«
Prendl winkte
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