4 Meister-Psychos
molligen Fäustchen aneinandergerieben.
Und da kommt die böse Polizei. Wir können Sie schon wegen Widerstandes gegen
die Staatsgewalt sitzen lassen, noch dazu bei Ihrem Register.« Er blieb
plötzlich vor Horvath stehen. »Aber diesmal wird es wohl etwas mehr kosten.«
Der Mann blickte kurz auf,
sagte aber nichts. Nogees setzte sich hinter den Schreibtisch.
»Die Geschichte, um die es
geht, wiegt bedeutend schwerer als Ihre Vorstrafen zusammen, Leopold. Ich habe
Sie schon gestern abend gefragt, wo Sie den schönen Abend des achten Mai
verbracht haben — und da wurden Sie dann nervös, daß Sie nicht mehr zu halten
waren. Vielleicht erinnern Sie sich doch lieber.«
»Was weiß ich, wo ich war«,
fuhr der andere auf. »Wissen Sie denn noch, was Sie an diesem Abend gemacht
haben?«
Nogees nickte, und seine Augen
funkelten gefährlich.
»Ich weiß es ganz genau, mein
Lieber. Gebe Gott, daß Sie nicht in meiner Nähe waren. Also — wo sind Sie
gewesen? Was haben Sie an diesem Abend getan? Antworten Sie!«
Horvath grinste häßlich.
»Ich bin irgendwo
spazierengegangen — vielleicht war ich auch im Kino — ich sagte Ihnen ja, ich
weiß es nicht mehr.«
»So? Spazieren? Sehr schön.
Tragen Sie diese Sandalen immer, wenn Sie spazierengehen?«
»Meistens, Herr Kommissar. Sie
sind so bequem.« Er grinste noch immer.
»Sehr schön. Wie lange haben
Sie sie denn schon?«
»Ach, schon lange. Aber damit
haben Sie kein Glück, Herr Kommissar. Sie sind nicht gestohlen.«
»Wer sagte denn das? Aber
lieber Horvath, wer wird denn von einem Ehrenmann so etwas denken. Nein, nein,
ich kenne Sie doch!« Und er schlug auf die Akte, in der die Auszüge aus dem
Strafregister ihr belastendes Dasein fristeten.
»Im Gegenteil — Sie werden doch
ohne Zweifel das Geschäft angeben können, in dem Sie sie gekauft haben. Oder
nicht?«
Das Grinsen verschwand von
Horvaths Gesicht. »Woher soll ich das jetzt noch wissen? Sie müssen mich ja für
einen Gedächtniskünstler halten. Ein paar Jahre habe ich sie schon — in
irgendeinem Geschäft gekauft — im Sommer war es, wegen der Hitze.«
Nogees spürte die Unsicherheit,
er schwieg, und der Mann rutschte auf dem Stuhl herum, als fühlte er sich nicht
mehr so wohl wie am Anfang.
»Schöne Sandalen«, sagte der
Kommissar nach einer Weile. »Ich hätte gar nicht gedacht, daß Sie in diesen
Dingen einen so guten Geschmack an den Tag legen.«
Der andere blickte ihn unsicher
an.
»Wirklich«, fuhr Nogees fort.
»Sie sind der einzige in der ganzen Stadt, den ich bisher mit solchen Sandalen
gesehen habe — ganz ausgefallenes Muster. Ich würde sie auch immer tragen.«
Er seufzte. »Nur am achten Mai
hätten Sie sie nicht tragen sollen. Das war wirklich ein großer Fehler,
Horvath.«
Horvath schob die Unterlippe
vor. »Sie werden lachen, Herr Kommissar — an diesem Abend habe ich sie wirklich
nicht getragen.«
»Nein? Ich hatte wirklich schon
Angst, Sie würden sich an gar nichts mehr erinnern. Nun wissen Sie wenigstens
was für Schuhe Sie anhatten. Wo waren denn die Sandalen an diesem Tage?«
»Bei mir zu Hause. In meinem
Schrank, wo denn sonst?«
»Ja, wo sonst. Aber vielleicht
haben Sie sie jemandem geliehen? Aus Nächstenliebe, wissen Sie? Wer zwei Paar
Schuhe hat, gebe dem ein Paar ab, der keine hat, das steht schon in der Bibel.«
»Ich weiß nicht, was in der
Bibel steht«, versetzte der Mann mürrisch, und das war das erste, was Nogees
ihm von Herzen glaubte. »Was soll der ganze Unsinn? Wem sollte ich sie denn
geliehen haben?«
»Dem, der am Abend des achten
Mai den Chirurgen Dr. Randolph in seiner Praxis erschossen hat«, sagte Nogees
ganz sanft. »Abends zwischen acht und zehn nach acht. Der hatte ausgerechnet
Ihre Schuhe an!«
Horvath wollte lachen, aber er
schloß den Mund wieder.
»Erschossen? Chirurgen? Mit
meinen Sandalen? Was soll dieser Blödsinn? Sie wissen ganz genau...«
»Was weiß ich ganz genau, mein
Teurer?«
»Sie wissen genau, daß ich so
etwas nicht tue«, erwiderte Horvath und deutete auf die Akte, die unter dem Arm
des Kommissars lag.
»Der Mensch ändert sich«, sagte
Nogees. »Hören Sie zu, Horvath. Ein Mann, der diese Sandalen trug, hat an
diesem Tage den Mord begangen. Zehn Minuten nach acht fuhr er mit dem
Paternoster nach unten. Eine Besucherin sah die Sandalen und prägte sich ihr
Aussehen so ein, daß sie sie zweimal wiedererkannte. An Ihren Füßen
wiedererkannte! Die Sandalen, die an diesem Abend friedlich bei Ihnen im
Schrank
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