4 Meister-Psychos
Falle Randolph war er nicht weitergekommen, gegen Fehling hatte sich kein
Beweis gefunden, und das Ende der Spur lag im dunkel wie bisher.
Peter trat ein, und Nogees
schüttelte ihm die Hand. »Setzen Sie sich, Doktor.«
Peter lächelte, aber er war
blaß und sah niedergeschlagen aus.
»Sie bringen wenigstens immer
mal Abwechslung in mein Dasein, Herr Kommissar.«
»Ich wünschte, ich könnte mehr
für Sie tun. Aber um die Wahrheit zu sagen — gut sieht es nicht aus. Ich habe
Sie kommen lassen, um Ihnen den Stand unserer Ermittlungen kurz mitzuteilen.
Wir haben einen Zeugen, daß Dr. Randolph um dreiviertel acht noch lebte und mit
Ihnen sprach. Es ist ein Patient, der für diese Zeit bestellt war. Da er es
eilig hatte und nicht drangenommen wurde, verließ er nach fünf Minuten die
Praxis wieder, ohne den Arzt gesprochen zu haben. Sein Alibi ist einwandfrei,
ein Motiv hat er nicht.
Das Ganze wäre kein richtiger
Kriminalfall, wenn nicht auch ein großer Unbekannter darin aufgetaucht wäre.
Das war der Mann, dessen Schuhe und Hosenbein Fräulein von Herlyn im
Paternoster sah, als sie nach oben fahren wollte — eigenartige, hellgelbe
Sandalen, an die sie sich später wieder erinnerte. Nun, ich muß gestehen, daß
ich schon aus überlieferter Skepsis an diesen Mann nicht glaubte. Aber das
Mädchen erkannte die Schuhe wieder, sie blieb dem Mann auf der Spur, und nach
einem Fehlschlag konnten wir ihn festnehmen. Es ist ein alter Bekannter von
uns. Am fraglichen Abend hatte er mit einer anderen Sache zu tun. Die Anzeige
über seinen Diebstahl paßt haargenau, das Diebesgut fand sich, wir haben sein
Geständnis und das seines Komplizen. Die Schuhe will er am Tage nach dem Mord
in einem Papierkorb gefunden haben — rund eine viertel Stunde von der Praxis
entfernt und in braunes Packpapier eingeschlagen.
Nun wäre ja möglich, daß er
trotzdem der Täter ist. Die Schuhe kann er schon länger besessen haben, und das
Alibi kam eben mit Hilfe des anderen und mit seinem Einvernehmen zustande. Aber
das ist nicht sehr wahrscheinlich. Wie gesagt, wir kennen die beiden Burschen.
Mord gehört nicht zu ihrem Repertoire. Ein anderes Motiv als Raub kommt für sie
nicht in Frage — ein Raubmord liegt aber nicht vor. Und es ist schwer
vorstellbar, daß die beiden in den zeitlich so komplizierten Ablauf der
Geschehnisse am Mordabend so haargenau eingegriffen haben sollen.
Wenn wir also den Unbekannten
mit den gelben Sandalen nicht vollständig außer acht lassen wollen — sei es,
weil wir an Fräulein von Herlyns Aussage zweifeln oder, weil tatsächlich irgend
jemand die Schuhe rein zufällig weggeworfen hat — dann hätten wir nun die
ehrenvolle Aufgabe, nach diesem Mann zu suchen.«
Er hob die Stimme etwas. »Nach
einem Mann also, der kurz nach acht nach oben gefahren ist, Dr. Randolph mit
dem von Ihnen zurückgelassenen Revolver erschossen hat und dann von Fräulein
von Herlyn im Paternoster gesehen wurde, als. sie auf dem Weg zur Praxis war.
Ob er nun merkte, daß er gesehen worden war oder nicht — er wollte die
verräterischen Schuhe loswerden und warf sie in den Papierkorb, in dem sie
unser Einbrecher später fand.
Das ist alles, was wir über den
Unbekannten vermuten können, ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu erklären, daß
es nahezu ausgeschlossen ist, ihn jetzt noch wiederzufinden. Sie können mir
auch glauben, daß wir nichts unversucht gelassen haben, sämtliche Verbindungen
Dr. Randolphs mit seinen Patienten und sonstigen Bekannten nachzuprüfen. Es
fand sich kein Anhaltspunkt.«
Er schwieg. Auch Peter sagte
nichts, und so fuhr Nogees nach einer Weile fort.
»Unsere Hoffnung waren der
späte Patient und der Mann mit den gelben Schuhen — und die Tatsache, daß beide
existierten, ließen mich an Ihrer Schuld und der Fräulein von Herlyns noch mehr
zweifeln als vorher. Aber die beiden sind entlastet, wir haben uns im Kreis
gedreht.«
Er hielt ein, öffnete die
rechte Tür seines Schreibtisches und stellte behutsam ein Paar sandfarbene,
ausgetretene Sandalen’ auf die. Platte. »Das ist alles, was von der Geschichte
übrigbleibt.«
Peter beugte sich vor. In der
Tiefe seines Bewußtseins suchte er nach einer Erinnerungsspur. Hellgelbe
Sandalen, wie gebleichter Wüstensand, von einer eigenartig exotischem Form.
Hatte er nicht doch schon irgendwo einmal, vor langer Zeit...? Aber das bildete
er sich wohl nur ein, jetzt, da er wünschte, etwas darüber sagen zu können. Er
schüttelte den
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