4 Meister-Psychos
Raum
um. Er legte zur Hälfte unterirdisch. Die Fensterbretter schnitten mit dem
Erdboden ab. Die Einrichtung bestand aus dem Schreibtisch, ein paar Stühlen,
einer Couch und den Wandschränken. Links standen auf einem langen Tisch
Zählgeräte für radioaktive Substanzen, umgeben von einem Gewirr von Kabeln und
Drähten. Ein schmales Untersuchungsbett nahm die Wand neben der Tür ein. Davor
stand ein Stativ mit einem bleigeschützten Geiger-Zählrohr. Es sah aus, als
würde hier die Schilddrüsendiagnostik gemacht. Peters hatte mir davon erzählt,
und einiges wußte ich schon.
Das Klingeln des Telefons hielt
mich zurück, als ich gerade hinauswollte.
»Gespräch für Dr. Peters«,
sagte eine Männerstimme. »Ich stelle durch.«
Es knackte.
»Claus?« sagte eine helle,
jugendliche Mädchenstimme.
»Nein. Dr. Butterweis.«
»Wer?«
Ich wiederholte meinen
unseligen Namen.
»Ach — entschuldigen Sie — ist
Dr. Peters nicht da?«
»Leider nein«, sagte ich. »Auf
seinem Zimmer.«
»Nein, da habe ich eben schon
angerufen. Sie wissen nicht, wo er sein könnte?«
Ich verneinte zum zweitenmal.
Das Mädchen seufzte leise. »Es ist immer dasselbe mit ihm. Sagen Sie ihm doch
bitte, er möchte mich anrufen. Unter 18197.«
»18197«, wiederholte ich.
»Augenblick. Ich schreib’ mir’s auf.« Ich suchte auf dem Schreibtisch nach
einem Zettel und fand einen Brief der Verwaltung. Er war zehn Tage alt und
nicht beantwortet. Auf der Rückseite standen Notizen, Telefonnummern und kleine
Schemazeichnungen. Ich schrieb die Nummer dazu. Das würde auch nichts mehr
schaden. »So«, sagte ich. »Sowie er kommt, werde ich’s ihm bestellen.«
»Vielen Dank.« Sie hängte auf.
Ich schloß das Fenster und trat
auf den Korridor hinaus. Ein paar Stufen führten tiefer hinunter. Ich kam an
einigen Türen vorbei und hörte Stimmen und Gelächter. An der letzten entdeckte
ich ein weißes Pappschild:
Isotopenlabor II
Ich drückte die Klinke hinunter
und trat ein.
Dann blieb ich stehen und sah
mich erschüttert um. Der obere Raum war, trotz einiger Unordnung, immerhin noch
zu übersehen gewesen. Hier dagegen herrschte ein fürchterliches Durcheinander.
Der Raum hatte einen
gekachelten Fußboden und ebensolche Wände. Es roch nach Ratten und Reagenzien.
Der Tierstall lag nebenan, wie ich später feststellte Zur Linken sah ich ein
großes, gemauertes Spülbecken, in dem sich ein Berg von schmutzigen Glasgeräten
türmte. Kolben, Pipetten, Bechergläser und Standzylinder. Über dem blinden Glas
hingen klebrige Gummihandschuhe. An der Fensterseite waren ein Tisch und ein
paar Regale mit zahllosen Flaschen vollgestellt, von denen die meisten kein
Etikett trugen und von Schmutz und Staub starrten. Rechts nahm ein langer Tisch
die ganze Breite der Wand ein. Zwischen alten und modernen Zählgeräten,
Geigerrohren und Zählkammern, Stativen, Ständern mit Reagenzgläsern,
Glasbehältern, Kästen und Büchern, lagen zahllose kleine Einzelteile,
Stoppuhren, Mehrfachstecker, Instrumente, Schreibrollen, Schrauben, Werkzeuge,
und dazwischen wand sich ein unübersehbares Knäuel von Kabeln und Schnüren.
In einer Ecke sah ich einen
massiven Strahlenschutzschrank mit Bleiwänden und Bleiglasfenstern. Dort
befanden sich die radioaktiven Präparate.
Ich warf ich einen Blick
hinein. Auch hier standen die einzelnen Behälter wahllos und unübersichtlich
herum. Ich nahm meine Brille ab und legte das Gesicht an das dicke Glas.
J 131 . Radioaktives
Jod.
Au 198 . Das
radioaktive Gold.
Etwas im Schatten, weiter nach
hinten zu, eine dritte, größere Büchse aus starkem Blei.
Sr 90 . Trägersubstanz
SrSo 4 . Strontiumsulfat.
Mein Blick blieb an der
Bleibüchse haften, als hätte ich eine Vorahnung besessen, was dieses Strontium
eines Tages für mich bedeuten sollte. Dann wandte ich mich ab und putzte
sorgfältig meine Brille, bevor ich sie wieder auf setzte.
Ich verließ den Raum und
überlegte mir, wie lange es dauern würde, das alles aufzuräumen, und wie
überhaupt ein Mensch in diesem Chaos arbeiten konnte.
Als ich die Stufen hochstieg,
hörte ich das Telefon im Labor I.
Ich lief hin.
Die dritte Dame. Auch sie hatte
Peters in seinem Zimmer nicht erreichen können. Ich wiederholte den Spruch, den
ich schon zweimal gesagt hatte. Sie gab mir ihre Nummer und hängte ein. Ich
hatte den Hörer noch in der Hand, als Peters ein trat.
»Sie wurden eben verlangt«,
sagte ich diensteifrig. »Von einer Dame. Ich habe die Nummer
Weitere Kostenlose Bücher