4 Meister-Psychos
langsamer Zunge. »Du hast Ronald umgebracht in London. Und
Maras Vater.«
»Jetzt muß ich mich aber auch
setzen«, sagte ich. Ich zog einen anderen Schemel heran. »Wie kommst du denn
darauf?«
»Ich habe es ihm erzählt.«
Tessa sprach kühl und gleichgültig. Von ihr war keine Unterstützung mehr zu erwarten.
»Ach. Und warum?«
»Nenne es Familiensinn, wenn du
weißt, was das ist. Ich mag nicht, wenn sich Leute an meiner Familie
vergreifen.«
»Seit wann?« fragte ich. »Seit
wann spürst du diese Blutschande in dir wallen? Ich kann mich nicht erinnern,
jemals ein freundliches Wort über deine Sippe aus deinem Mund gehört zu haben.
Und jetzt auf einmal machst du in Geschwisterliebe. Da soll einer durchfinden.«
»Ich gebe zu, es ist
merkwürdig, es ist ein ähnlicher Fall wie bei dir und Walter. Ihr wart euch so
gleichgültig wie ein Kopftuch dem anderen. Nun fehlt er dir offenbar.«
Ich nickte. »Da ist was Wahres
dran. Der alte Sandmann hatte offenbar recht. Man streitet sich um die Puppen
und den Ball. Aber auf einmal bricht die Geschwisterliebe durch.«
»In Ivy Cottage mit dem LSD«,
sagte Tessa, »da habe ich dich gesehen. Da habe ich gesehen, was du bist. Ein
schmieriger, feiger, geldgieriger Mörder.«
»Ich weiß. Du bist ja auch mit
einem Messer auf mich losgegangen und wolltest ein bißchen Schlachtfest
spielen. Du warst wirklich echt. Ich habe es auch gesehen, Tessa. Ich hatte
nämlich kein LSD genommen. Nur Whisky mit Eis. Und da habe ich erkennen können,
daß auf die Dauer kein Verlaß auf dich sein würde. Am Morgen warst du die
Hingabe selbst, aber der Wurm war drin und blieb drin. Und als ich Walter heute
früh in seinem frischen Fichtennadelbad fand, da wußte ich, daß du wohl doch
nicht die richtige Partnerin in unserem Team gewesen warst. In den letzten
Tagen bist du so geschäftig gewesen. Makler und Anwalt und so. Aber die meiste
Zeit hast du doch wohl verwendet, den wackeren Alfred auf meine bösen Taten
hinzuweisen. Ach — gestattet ihr, daß ich einen Gin Fizz trinke? Das Eis
zerläuft schon.«
»Trink ruhig noch einen«, sagte
Alfred mit rauher Stimme. Die konnten beide heute nicht flüssig sprechen. Ich
goß Zitronensaft über die Eiswürfel und füllte Gin nach, schlürfte gemächlich.
Ich hatte keine Furcht. Mein Fuß war neben dem Pedal des Mülleimers. Eine
wahnwitzige Neugier saß in mir und wartete auf den Schluß des letzten Aktes.
Tennessee Williams im Zimmertheater.
»Willst du Alfred heiraten,
wenn ich tot bin, Tessa?«
»Und wenn ich wollte?«
»Nichts einzuwenden. Ich sehe
nur den Unterschied zwischen uns beiden so schwer. Er hat das getan, was ich
auch getan habe, soweit du es ihm erklärt hast. War Tessa eigentlich dabei, als
du Walter umgebracht hast, Alfred?«
Alfred schwieg. Ein böses
Schweigen, hinter dem der eiserne Entschluß saß. »Ich glaub’ nicht, daß sie
dabeigewesen ist. Sie muß ja nun die Taktik wieder ändern und alles auf dich
schieben, wenn du mich erledigt hast.«
»Du Narr«, sagte Tessa mit
Verachtung, »du dummer, überheblicher Narr, der du immer gewesen bist. Es ist
alles bestens überlegt. Besser, als du es jemals gekonnt hast. Du hast mich
erstechen wollen. Alfred hat mir geholfen. Notwehr.«
Ich lachte glucksend.
»Oh, Tessachen«, sagte ich,
»bei dem intelligenten Partner, den du dir jetzt ausgesucht hast, bestimmt.«
Auf Alfreds Gesicht wuchsen
rote Flecken.
»Machen wir Schluß«, sagte er.
Er griff unter seine Weste. Ich kannte das Messer, das er herauszog. Eines aus
Tessas Beständen.
»Sieh an. Sie an.« Ich trank
noch einen Schluck. »Das Universalmesser. Unentbehrlich für den Haushalt. Wirst
du hinterher wieder Brot damit schneiden, mein gutes Kind?«
Alfreds Gesicht war eine Fläche
von Eis. Ganz sicher, daß er mich umbringen wollte.
»Ich würde lieber das nehmen,
mit dem du Mara den Hals abgeschnitten hast, Paul. Leider hat es die Polizei
beschlagnahmt.«
»Sicher, sicher«, erwiderte
ich, »das muß ja auf den Richtertisch, wenn die Hauptverhandlung kommt. Ach,
übrigens, Tessa — das war lieb von dir, mir einreden zu wollen, ich wäre der
Täter nicht gewesen. Hatte dich nur beruhigen wollen, damit keine Angstträume
dein weiches Gemüt überfallen. Ich bin nicht darauf eingestiegen, denn du
wolltest nur testen, ob ich dich in Verdacht habe. Ich hätte es ja sagen
können, jawohl, Herzblatt, ich war es nicht. Und heute nachmittag warst du noch
so lieb. Als du genäht hast, da schienst du etwas
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