4 Meister-Psychos
eine Tür aufflog. Schnelle Schritte näherten sich. Es war Vera. Ich
wußte, daß es Vera war. Ich nahm meinen Hut ab und sah ihre Augen, als sie
öffnete.
Wir blieben stumm voreinander
stehen. Ich war es, der die Augen zuerst niederschlug.
»Du hast mich nicht erwartet«,
sagte ich heiser. »Ich gehe sofort wieder. Ich wollte dich um Verzeihung
bitten.«
»Komm rein«, sagte sie. Sie
schloß die Tür hinter mir. Ich hielt meinen Hut in der Hand und wollte meinen
Mantel anbehalten.
»Zieh dich aus!«
Ich tat es schweigend. In ihrem
Zimmer war es warm und gemütlich. Jedes Möbelstück und jedes Bild kannte ich,
und mir war, als müßte ich von allem Abschied nehmen.
Vera nahm eine Zigarette. Ich
gab ihr hastig Feuer. Selbst war ich zu aufgeregt, um zu rauchen.
»Ich wünschte, das gestern wäre
nicht passiert«, sagte ich. »Es tut mir leid, Vera. Laß mich nicht mit der
Unruhe herumlaufen, daß du mir böse bist.«
Sie schwieg. Ich feuchtete
meine Lippen an.
»Sieh einmal, Vera — ich habe
niemanden außer dir. Niemand bedeutet mir so viel wie du. Auch meine Eltern
nicht.«
»Das solltest du nicht sagen.«
Ich war froh, daß sie überhaupt
gesprochen hatte.
»Es ist so. Sie haben sich
meiner geschämt. Du nicht. Du warst immer für mich da. Ich wußte, daß es eines
Tages vorbei sein würde. Man soll niemanden aus Mitleid heiraten.«
Sie blieb still.
»Jetzt ist er es«, fuhr ich
fort. »Ich liebe dich, Vera. Ich wollte dich warnen. Nicht aus Eifersucht habe
ich so geredet.«
Sie hob schnell den Kopf.
»Willst du noch einmal anfangen?«
»Nein, Vera. Von mir wirst du
nichts mehr hören. Du mußt wissen, was du tust. Ich dachte nur, ein Freund
könnte dem anderen seine Ansicht sagen.«
»Bleibst du bei deiner
Ansicht?«
»Ja.«
»Wofür willst du dich dann
entschuldigen?«
»Für mein Geschrei«, sagte ich.
»Und für den Harem. Vielleicht schaffst du es, ihn zu ändern. Ich werde dir
nicht dazwischenreden. Wenn du einen Rat brauchst, bin ich für dich da. Wie
immer.«
»Das letzte Wort des
abgewiesenen Freiers«, sagte Vera spöttisch.
Ich sah sie an, und ein Gefühl
der Traurigkeit befiel mich.
»Früher hast du nicht so
geredet, Vera. Das bist auch nicht du. Ich weiß, wer es ist.«
Ganz plötzlich beugte sie sich
vor und streichelte mich.
»Jetzt mußt du mir verzeihen.
Das war schlecht von mir.«
»Schon gut, Vera. Ein
abgewiesener Freier ist immer eine komische Figur. Bleib meine Freundin. Trotz
Peters.«
Sie nickte.
Ich hielt ihre Hände fest.
»Du hast noch Zeit, Mädchen.
Denk an meine Worte. Zieh das Geschimpfe ab und denk daran. Beobachte ihn und
denk daran.«
Vera machte sich vorsichtig
frei. Sie sah mich an, wieder mit diesem Blick von gestern, voll Nachsicht und
Mitleid.
»Stephan — wenn du jemanden
liebst, liebst du ihn mit allen seinen Fehlem. Ganz und gar.«
»Oder du siehst keine Fehler«,
antwortete ich.
»Ich sehe sie. Zwischen all
seinen Mädchen ist er ein einsamer Mann. Glücklich ist er nicht dabei. Wenn er
erst weiß, was Glück ist, wird er es festhalten.«
»Ich wünschte, du hättest
recht«, sagte ich.
Ich rückte vor und sprach
leiser.
»Vera — verrätst du mir etwas?«
»Was denn?«
»Wer ist der Klassenzweite
hinter dem Klassenersten?«
Sie schwieg einen Augenblick.
Dann lachte sie leise und faßte mich an der Nase.
»Du bist es.«
»Fein. Wenn mir einmal elend
ist, werde ich daran denken. Tust du mir einen Gefallen?«
Wieder nickte sie.
»Sag ihm nichts von gestern und
von heute. Es gibt nur Ärger im Dienst. Ich vermeide jede Reiberei.
Wahrscheinlich komme ich bald weg. Bis dahin möchte ich Frieden haben. Wenn ich
offiziell etwas erfahre, staune ich sehr und wünsche euch Glück.«
»Ist gut, Stephan.«
»Vera — ich freue mich so, daß
wir uns wieder vertragen!«
»Ich mich auch.«
»Ich hatte schon Angst, du bist
in der Musikhalle und erzählst ihm alles.
Sie sah erstaunt aus.
»Musikhalle?«
»Ja. Er hat mich bis zu mir
mitgenommen. Wir haben ein paar Ratten gespritzt. Er sagte, er wollte in die
Musikhalle.«
»Sieh einer an«, sagte Vera.
»Was ist denn?«
»Mir hat er gesagt, er bliebe
heute oben. Er würde lange arbeiten und bliebe gleich oben.«
Ich sah auf den Teppich.
Ich wollte nichts sagen, was
nach Triumph geklungen hätte.
»Er fragte mich, was du
machst«, sagte ich nach einer Weile, ohne aufzusehen. »Er hat mir nichts von
euch erzählt. Er sagte, wir sollten wieder einmal ein Fest feiern.
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