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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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begegnet. Ich drehte wieder um und ging zurück. Es
rührte sich nichts. Ich stellte meine Körbe auf einen der Tische. Dann klopfte
ich an die Türen und versuchte sie zu öffnen, eine nach der anderen.
Verschlossen. Alle verschlossen, bis auf die von Lagerraum 1. Ich drückte sie
nach innen. Mustergültige Ordnung und durchdringender Apothekengeruch.
    »Hallo!« rief ich leise.
    Es kam keine Antwort. Ich ließ
die Tür halb offen und ging schnell zwischen den Regalen hindurch. Ich sah
Fertigpräparate, Verbandsstoffe, Zellstoffballen und gewaltige Klinikpackungen.
Keine Spur von Gift.
    Die Furcht vor dem Unerlaubten
überfiel mich und lähmte meine Aufmerksamkeit. Völliger Unsinn, hier nach
Zyankali zu suchen. Kein Mensch in den Kliniken brauchte es.
    Als ich an der Schmalseite der
Regale herumging und in den nächsten Zwischengang einbog, sah ich das Gesicht
eines Mannes, der am anderen Ende stand.
    Er mußte lautlos hereingekommen
sein. Mir fuhr es siedendheiß durch meinen Körper.
    Er trug einen blauen
Arbeitsanzug wie alle Handwerker im Gelände. Er war eisgrau, mit faltigem,
unrasiertem Gesicht.
    Seine Augen hatten den
mißtrauischen, abweisenden Ausdruck des subalternen Wächters, der einen Fremden
in seinem Reich erwischt.
    Ich brauchte alle Kraft, um
meinen Schreck zu verbergen, faßte an die Brille und lächelte falsch. »Endlich
eine Seele! Sind Sie Herr Wilhelm?«
    Er nickte langsam, während sein
Blick mich festhielt. Ich trat näher an ihn heran.
    »Ich bin Doktor Butterweis vom
Röntgen. Wollte meine Flaschen abgeben und fand niemanden. Alles zu. Bis auf
die Tür.«
    Sein Blick ging über meinen
Mantel und meine Taschen. Er forschte, ob ich etwas eingesteckt hatte, und
bemühte sich nicht, es unauffällig zu tun.
    Ich sprach schnell weiter.
    »Der Apotheker sagte mir Ihren
Namen. Wir können vor Flaschen nicht mehr treten.«
    Er knurrte: »Ich muß hier
abschließen.«
    »Tun Sie das«, sagte ich und
ging an ihm vorbei und auf den Gang hinaus. Pfeifend schlenderte ich bis zum
Tisch mit den Flaschen. Wilhelm schlurfte hinter mir her.
    »Wohin damit?« fragte ich.
    Er schloß eine andere Tür auf.
Ich folgte ihm in einen halbdunklen Raum, voll von schmutzigen Flaschen.
    Ich packte die Körbe aus, und
er sah zu. Hinterher bot ich ihm eine Zigarette an. Er steckte sie achtlos in
seine Brusttasche, zwischen Bleistift und Brillenfutteral.
    »Bleiben Sie jetzt hier?«
fragte ich. »Dann bringe ich gleich noch einen Schwung...«
    »Nee«, sagte er mürrisch.
»Jetzt ist Mittag. Glauben Sie, ich will nicht auch einmal Ruhe haben?«
    »Natürlich. Wann kann ich denn
kommen?«
    »Zwischen vier und sechs.« Er
warf einen bitteren Blick auf die Flaschenberge. »Ich habe nur Arbeit mit dem
Mist.«
    »Ja, es summiert sich«, sagte
ich. »Also, dann komme ich nachher noch einmal. Vielen Dank einstweilen,
Wilhelm.«
    Ich nahm die Körbe und ging.
Seine Blicke brannten in meinem Genick.
    Draußen atmete ich tief durch.
Wenn es noch einmal gutgegangen war, dann um Haaresbreite. Jetzt war auch das
vorbei. Jetzt mußte ich Flaschen bringen, um die Harmlosigkeit meines Besuches
zu unterstreichen. Niemals würde ich Zyankali dort unten finden. Jedes
Hausmädchen würde mich aus dem Konzept bringen. Ich setzte mich im Labor an den
Schreibtisch und rauchte. Es war alles Unsinn. Wenn mir nichts Besseres einfiel
als diese ausgeleierte Tour, konnte ich einpacken.
    Am Nachmittag kamen zwei
Patienten. Ich fertigte sie schnell und lustlos ab. Als der letzte gegangen
war, lief ich hinunter und klaubte weiter Flaschen zusammen.
    Nach einer Weile fand ich keine
mehr. Ich überlegte, wo noch einige sein könnten. Mein Blick fiel auf den
Strahlenschrank.
    Mit den Händen in den
Hosentaschen schob ich mich heran und starrte mißmutig durch die
Bleiglasscheibe auf die Unordnung im Inneren.
    Hier war nichts zu holen. Alle
Gefäße, der ganze Innenraum waren verseucht. Monate würde es dauern, bis die
Radioaktivität einigermaßen abgefallen war — abgesehen davon, daß ständig neue
dazukam.
    Ich wandte mich ab und wollte
zur Tür. Nach zwei Schritten blieb ich stehen.
    Ein Gedanke war mir gekommen.
So schnell und so flüchtig, daß ich Zeit brauchte, um ihn wiederzufinden.
    Strontium neunzig.
    Ich ging die zwei Schritte
zurück und preßte mein Gesicht an die Scheibe. Eine dunkle Flasche in einer
Bleibüchse. Das Weiß des Etiketts schimmerte durch das Halbdunkel.
     
    Sr 90
    Strontiumsulfat
     
    Ich stand unbeweglich da, und
in der

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