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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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zeigen.
    Plötzlich entstand ein
Geräusch. Ich vernahm ein Summen und Knacken, wie aus einem Radio, das noch
eingeschaltet ist, obwohl der Sender sein Programm beendet hat. Es kam hinter
der Sperrholzwand hervor. Ich wartete ohne viel Interesse. Verworrene Laute
ertönten. Es klang, als käme jemand näher, der weit weg war. Wie Schritte.
    Und dann hörte ich eine Stimme.
    Fremd und unbekannt.
    »Kommt nichts raus?«
    Eine schwache Erinnerung
tauchte in mir auf.
    Kommt nichts raus?
    Wer hatte das gesagt und wann?
    »Nichts Vernünftiges. Überall
Nachrichten.«
    »Peters!« schrie ich.
    Ich wollte aufspringen.
Kräftige Hände drückten mich zurück, hielten mich fest.
    Wahnsinniges Entsetzen erfaßte
mich.
    Peters war da! Er sprach! Er
war in diesem Raum!
    Die Hölle war auf erstanden.
    »Schon zehn?«
    Die andere Stimme. Wer war
das?«
    »Ja.«
    Peters.
    »Donnerwetter. Beim Saufen
vergeht die Zeit. Hier ist der Göttertrank.«
    Ich kannte diese Stimme. Sie
war mir fremd und vertraut zugleich. Ich kannte sie und hatte sie nie gehört.
    »In Anbetracht der
bevorstehenden Trennung, Herr Peters«, fuhr die Stimme fort, »fühle ich in mir
das Bedürfnis, auf Ihr Wohl zu trinken. Ein fröhliches Prost!«
    »Ein fröhliches Prost!« sagte
der tote Peters.
    Der Schweiß drang aus allen
meinen Poren.
    Eine Pause.
    »Wollen Sie nicht lieber dieses
Glas nehmen, Butterweis? Ich kenne Ihren Cocktail. Zwei Teile Rum, ein Teil
Zitrone. Ein halber Teelöffel Zucker, je nach Geschmack.Und ein Schuß
Strontium neunzig, nicht zu vergessen. Und nun wollen wir doch aufhören,
Theater zu spielen.«
    »Ja«, sagte der andere heiser.
»Nun wollen wir wirklich aufhören.«
    Ich war es. Ich sprach mit
Peters.
    »Aufhören!« schrie ich.
»Aufhören!«
    Die Lampe vor mir wurde zu
einem glühenden Kreisel, der sich schneller und schneller drehte.
    Ich war verloren. Alles war zu
Ende. Sie hatten mich. Ich stürzte in eine bodenlose Finsternis, bis ich das
Licht vor mir nicht mehr sehen konnte.
    Als ich zu mir kam, war das
Zimmer hell erleuchtet. Die grelle Lampe war fort. Ein Mann stand neben mir,
hielt mich und ließ mich los, als ich ihn ansah. Der Kommissar und der
Stenograf standen am Schreibtisch.
    »Wollen Sie etwas trinken?«
fragte der Kommissar.
    »Eine Zigarette«, sagte ich.
    Sie gaben mir eine.
    »Weiter«, sagte der Kommissar.
    Das Summen und Knacken fing
wieder an. Ich hörte meine Worte und die von Peters. Ich hörte unseren Streit,
die Schläge, das Knirschen meines Brillenglases, Unseren keuchenden Atem.
    Alles hörte ich. Zuletzt den
Schuß.
    Er klang gar nicht laut. Wie
der Knall einer Papiertüte, die man aufbläst und zerschlägt.
    Noch ein paar Geräusche. Dann
war Stille. Sie schalteten den Apparat ab.
    »Ja, Doktor Butterweis«, sagte
der Kommissar mit hölzerner Stimme. »Doktor Peters hat vorgesorgt. Er traute
Ihnen nicht. In sein Radio war ein Bandgerät eingebaut. Ganz neu. War noch gar
nicht lange drin. Er schaltete es ein, als Sie Ihren Cocktail mixten.«
    Alles war mir klar.
    Sein Grinsen, als ich sagte,
niemand könnte unser Gespräch hören. Seine Aufforderung, weiterzureden. Das
Radio, das eingeschaltet war, aber nicht spielte. Ich hatte es ausgeschaltet,
bevor ich ging. Ich hätte nur nachzusehen brauchen. Dann läge das Band jetzt
auch im Fluß, bei der Büchse und dem FH 40, und meine Notwehr wäre nicht zu
erschüttern.
    Es war aus. Noch als Toter
hatte Peters mich überlistet. Er hatte gesiegt. Ich war besiegt.
    »Wir werden die Zusammenfassung
noch einmal machen müssen«, sagte der Kommissar. »Fräulein Doktor Ring wird
exhumiert. Wissen Sie, was das bedeutet?«
    Ich antwortete nicht und nahm meine
Brille ab. Ich hatte nicht geweint, als Vera starb, auch nicht bei ihrer
Beerdigung. Jetzt kamen meine ersten Tränen, und ich wischte sie schnell mit
den Fingern fort.
    »Laßt sie doch liegen«, sagte
ich. »Laßt sie doch. Ich war es. Ich habe sie getötet.«
    Ich war zu schwach gewesen für
alles. Ich hatte es immer gewußt und hatte es nicht zugeben wollen.
    Ich dachte an meine Mutter.
Jetzt war mir so zumute wie vor langer Zeit, wenn ich eine Dummheit gemacht
hatte und bei ihr Schutz suchte. Sie hatte mir nie geholfen. Sie konnte mir
auch diesmal nicht helfen.
    Ich saß vornübergebeugt auf dem
Stuhl. Ich war das, was ich immer gewesen war. Eine kleine, hilflose Kreatur,
umgeben von harten, schweigsamen Männern.
     
    Die Verhandlung war zwei Monate
später.
    Ich wurde zu fünfzehn Jahren
Zuchthaus

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