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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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»Andrjuschka, du hast die besten Augen von uns. Wen siehst du?«
    »Ich sehe einen Obdachlosen … An der Metro ist ein Lichter!« Der Junge ereiferte sich. »Wadim Dmitritsch! Ein Lichter an der Metro! Ein Magier!«
    »Ich sehe ihn«, meinte der Lehrer lobend. »Er ist vor zehn Jahren initiiert worden. Ein Magier. Fünfter Grad. Er arbeitet nicht für die Wache.«
    Bewundernd blickten die Praktikanten ihren Lehrer an. Andrej wirbelte wieder herum. »Oh!«, rief er fröhlich. »Da auf der Bank! Ein Dunkler, ein Untoter! Ein Vampir! Ein Hoher Vampir! Ein nicht registrierter …«
    Bereits bei dem Wort »Untoter« hatte der Junge die Stimme gesenkt. »Ein nicht registrierter« flüsterte er nur noch.
    Gleichwohl hatte der Vampir ihn gehört. Er faltete die Zeitung zusammen und stand auf. Sah den Jungen an und schüttelte den Kopf.
    »Geht weg!« Der Lehrer packte Andrej beim Arm und zog ihn hinter sich. »Geht weg hier, rasch!«
    Der Vampir kam auf ihn zu – mit großen Schritten, die rechte Hand vorgestreckt, als wolle er ihn begrüßen.
    Einer der Praktikanten holte sein Handy heraus und drückte den Notruf. Brüllend beschleunigte der Vampir seinen Schritt.
    »Stehengeblieben! Nachtwache!« Wadim Dmitrijewitsch hob die Hand und schuf den Schild des Magiers. »Bleiben Sie stehen! Sie sind festgenommen!«
    Die Silhouette des Vampirs verschwamm, gleichsam als bewege er sich sehr rasch. Die junge Praktikantin schrie auf und versuchte, sich selbst einen Schild zu schaffen, was ihr indes nicht gelang. Der Lehrer drehte sich ihr zu, sah sie an – und genau in dem Moment traf ihn etwas an der Brust, zog sich schneidend und heiß um ihn zusammen. Riss ihm das Herz heraus. Der nutzlose Schild verlosch, löste sich im Raum auf. Der Lehrer schwankte, fiel aber noch nicht hin, sondern schaute hilflos auf den blutenden pulsierenden Klumpen, der vor ihm auf dem Gehsteig lag. Dann bückte er sich vor, als wolle er sein Herz fassen und in die klaffende Brust zurückstopfen. Um ihn herum verdunkelte sich alles, der Asphalt schoss ihm entgegen. Und er fiel, sein Herz gepackt haltend. Seine pädagogische Laufbahn hatte nicht allzu lange gewährt.
    Die junge Frau wimmerte, als der Schlag sie traf, der sie zwischen den Bäumen hindurch in Richtung Fahrbahn warf. Sie lag quer im Grünstreifen und starrte kreischend auf ein ihr entgegenkommendes Auto in der Farbe schmutzigen Asphalts.
    Das Auto konnte noch bremsen.
    Die Frau quiekte noch einmal, versuchte aufzustehen – und nahm erst in diesem Moment die schrecklichen Schmerzen in der Taille wahr. Sie verlor das Bewusstsein.
    Andrej schleuderte es nach oben, riss es in die Luft. Als wolle ihm jemand in die Augen schauen oder in den Hals beißen.
    »Weshalb musstest du mich entdecken, Primus?«, fragte eine Stimme.
    Der Junge schrie, hämmerte gegen unsichtbare Hände. Er spürte, wie sich auf seinen Jeans ein peinlicher nasser Fleck bildete.
    »Hat man dir beigebracht, einen Abdruck von der Aura zu nehmen?«, fragte die Leere. »Vergiss nicht, dass ich eine Lüge spüre.«
    »Nein«, schrie Andrej sich windend. Der Griff des unsichtbaren Vampirs lockerte sich ein wenig.
    Gleich darauf blitzte vor ihm etwas auf. Einer der Männer aus seiner Gruppe hatte genug Kraft gesammelt, um einen Kampfzauber zu wirken. Selbstverständlich hatte nicht nur der Junge Gefallen daran gefunden, im Lehrbuch vorzublättern …
    Andrej trug es davon, alles um ihn herum drehte sich – und er krachte mitten im See ins Wasser, verscheuchte die dicken trägen Schwäne und die kecken vorwitzigen Enten. Im Wasser strampelnd, sah er, wie der Praktikant, der den Schock-Zauber abgeschossen hatte, umfiel, während der zweite nach einem Anruf davonstürzte.
    Andrej schwamm zu dem kleinen Häuschen der Schwäne und kletterte auf die hölzerne Plattform. Aus dem Häuschen stank es nach Vogelkot. Gleichwohl zog der Junge es vor, das Eintreffen der operativen Gruppe hier, mitten auf dem See, abzuwarten. Am nächsten Tag wurde sein Verhalten von Geser als das einzig angemessene in der gegebenen Situation bezeichnet. Dem Jungen wurde der inoffizielle Vorschlag unterbreitet, über eine Arbeit in der Wache nachzudenken. Wie hatte Wadim Dmitrijewitsch immer so schön gesagt: »Die toten Helden dienen irgendwo anders.«
    In Anbetracht der Umstände war die Zahl der Opfer gering. Der Lehrer und einer der Praktikanten, von Hause aus Mathematiker. Vielleicht hatte ihm einfach die Zeit gefehlt, um zu berechnen, was er, der

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