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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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unerfahrene Magier fünften Grades, dem Hohen Vampir entgegensetzen konnte.
    Aber vielleicht wollte er sich das auch einfach nicht ausrechnen.

Eins
    Ich begrüßte Garik, der mit einem Oberst der Miliz etwas besprach. Der Oberst war ein Mensch, aber insofern eingeweiht, als er etwas über die Wachen wusste und half, solche Situationen zu verschleiern. Die Körper waren bereits abtransportiert, unsere Experten hatten das ganze Brimborium mit der Aufnahme der Aura und den magischen Spuren schon hinter sich gebracht. Jetzt machten sich die Kriminalisten der Miliz an die Arbeit.
    »Im Transporter«, sagte Garik, indem er mir zunickte. Ich ging zu unserem Diensttransporter und stieg ein.
    Der in eine Decke gehüllte Junge trank einen Becher heißen Tee und schaute mich verängstigt an.
    »Ich bin Anton Gorodezki«, stellte ich mich vor. »Du bist Andrej, nicht wahr?«
    Der Junge nickte.
    »Hast du den Vampir entdeckt?«
    »Ja«, brachte der Junge ohne Zweifel zerknirscht hervor. »Ich habe nicht gewusst …«
    »Beruhige dich. Dich trifft keine Schuld. Das Auftauchen eines wilden Vampirs am helllichten Tag mitten im Zentrum von Moskau ließ sich unmöglich vorhersehen«, beteuerte ich. Dachte mir jedoch, dass man es hätte tun sollen, wo der Junge so gute Anlagen zur Identifikation von Auren hatte. Allerdings wollte ich dem toten Lehrer im Nachhinein keinen Vorwurf machen. Irgendwann würde diese Geschichte zur methodischen Vorbereitung von Lehrkräften gehören, würde sich im Lehrbuch auf den Seiten finden, die rot gedruckt sind – zum Zeichen dafür, dass sie mit Blut bezahlt worden waren.
    »Trotzdem hätte ich nicht so schreien sollen …«, sagte der Junge. Er stellte den Teebecher ab. Die Decke rutschte ihm von der Schulter und ließ einen gewaltigen blauen Fleck auf der Brust erkennen. Der Vampir hatte sich nicht mit halben Sachen zufriedengegeben. »Aber wenn er mich nicht gehört hätte …«
    »Dann hätte er so oder so eure Angst und Verzweiflung wahrgenommen. Beruhige dich. Viel wichtiger ist es jetzt, den Untoten einzufangen.«
    »Und zu vernichten«, schloss der Junge unerbittlich.
    »Richtig. Und zu vernichten. Bist du schon lange bei uns in der Ausbildung?«
    »Seit drei Wochen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ein begabtes Bürschchen, zweifelsohne. Blieb zu hoffen, dass der Vorfall ihm die Arbeit in der Wache nicht vermieste.
    »Habt ihr schon gelernt, wie man eine Aura aufnimmt?«
    »Nein«, sagte der Junge. Und erschauerte, als überwältige ihn eine unangenehme Erinnerung.
    »Dann beschreib mir den Vampir so genau wie möglich.«
    Der Junge zögerte. »Wir haben es nicht gelernt«, gestand mein Gegenüber. »Aber ich habe es selbst versucht. Es kommt im vierten Abschnitt des Lehrbuchs … Aufnahme, Vervielfältigung und Übertragung einer Aura.«
    »Du meinst, du hast dieses Thema allein durchgearbeitet?«
    »Ja.«
    »Kannst du mir die Aura des Vampirs übermitteln?«
    »Ich kann es versuchen«, meinte der Junge nach kurzem Nachdenken.
    »Tu das. Ich öffne mich.« Ich schloss die Augen und entspannte mich. Also dann, du junges Talent …
    Anfangs spürte ich eine leichte Wärme, als blase mir jemand aus einiger Entfernung mit einem Föhn ins Gesicht. Dann registrierte ich die ungeschickte, leicht abgerissene Übertragung. Ich fing sie auf, packte sie, sah sie mir an. Der Junge gab sich alle Mühe, übertrug die Aura immer wieder aufs Neue. Nach und nach vermochte ich aus den einzelnen Mosaiksteinchen das ganze Bild zusammenzusetzen.
    »Gleich hab ich’s«, versicherte ich. »Noch einmal …«
    Die bunten Fäden leuchteten heller und verschlangen sich zu einem seltsamen Knoten. Die Hauptfarben bestanden selbstverständlich aus Schwarz und Rot, die für die Untoten und den Tod standen, die Standardfarben der Vampire. Dem Jungen war es jedoch in der Tat gelungen, die Aura zu fixieren, denn neben diesem Farbspektrum, das unbeständig ist und stark differieren kann, fanden sich auch klare Details: ein feiner Kraftknoten, so individuell wie ein Fingerabdruck oder die Zeichnung der Gefäße in der Regenbogenhaut.
    »Bravo«, lobte ich ihn zufrieden. »Vielen Dank. Das ist ein sehr guter Abdruck.«
    »Werden Sie ihn finden?«, fragte der Junge.
    »Bestimmt«, beruhigte ich ihn. »Du hast uns sehr geholfen. Mach dir keine Sorgen mehr und bestrafe dich nicht selbst … Dein Mentor ist als Held gestorben.«

    Das war natürlich gelogen. Erstens sterben Helden nicht. Und zweitens ducken sich Helden nicht hinter

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