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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ein Nachtsichtgerät …« Jean wurde immer verlegener. »Eine normale Videokamera, mit der man auch Nachtaufnahmen machen kann. Er steht da und schaut auf den Bildschirm …«
    »Aha …« Ich nickte. »Und was hast du gesehen, als Viktor ermordet wurde?«
    Entweder hatte er sich inzwischen etwas beruhigt, oder er fand sich einfach in sein Schicksal – auf alle Fälle widersprach er nicht. »Wie kommen Sie denn darauf, dass ich hier war?«, fragte er bloß.
    »Weil du als Vampir verkleidet bist. Schließlich könnte ja auch einer der Besucher eine Videokamera dabeihaben, mit der er Nachtaufnahmen machen kann. Deshalb schminkt ihr euch auch, nicht wahr? Ich glaube, hier hat jeder seine Rolle. Deshalb musst du auch während der Vorstellung dieses Kostüm getragen haben und in der Nähe gewesen sein.«
    »Ja, stimmt«, meinte Jean nickend. »Ich stand dort. Nur habe ich nichts gesehen, das müssen Sie mir glauben. Alle haben wie immer dagesessen. Niemand ist über Viktor hergefallen, niemand hat sich ihm genähert.«
    Ich unterließ es, ihn darüber aufzuklären, dass ein hungriger Vampir – und er muss sehr hungrig gewesen sein, um so erbarmungslos auf Jagd zu gehen – auch mit einer Nachtkamera nicht aufgenommen werden würde, denn so ein Gerät reagiert auf Infrarotstrahlen. Die Körpertemperatur eines hungrigen Vampirs ist jedoch nicht höher als die seiner Umgebung. Allenfalls gäbe es schwache Spuren auf dem Band …
    »Zeichnet ihr die Touren auf?«
    »Nein, natürlich nicht. Wozu sollten wir auf diese Weise Band vergeuden?«
    Ich hockte mich hin und fuhr mit der Hand durchs Wasser. Das kalt und modrig war. Offensichtlich hatte sich niemand die Mühe gemacht, es zu wechseln … Falls die Ermittlungen jedoch noch nicht abgeschlossen waren, war auch daran nichts verwunderlich.
    »Haben Sie etwas entdeckt?«, fragte Jean neugierig.
    Ich antwortete nicht. Sondern schaute mit geschlossenen Lidern ins Wasser. Mit meinem Zwielicht-Blick, der durch die Realität zum Kern der Dinge vordringt.
    Die Röhre füllte sich mit trübem Kristallglas. Dieses durchzogen glutrote Adern. Am Boden der Röhre hatte sich eine orangefarbene Suspension zusammengeballt.
    Im Wasser befand sich das Blut eines Menschen.
    Viel Blut.
    Vier Liter.
    Von ihm dürften wohl auch die starken Manifestationen des Todes herrühren. Blut speichert die Dinge besser als alles sonst auf der Welt.
    Wenn man bei der Polizei auf die Idee gekommen wäre, eine gründliche Analyse des Wassers vorzunehmen, hätte man wohl festgestellt, dass Viktors Blut vollständig in den Graben geflossen war. Vampire hatten mit dem Verbrechen nicht das Geringste zu tun.
    Allerdings suchte die Polizei ohnehin nicht nach Vampiren. Das Wasser hatten sie vermutlich sogar analysiert. Falls nicht, dann nur deshalb, weil sie sowieso nicht am Ergebnis zweifelte. Den Hals aufgeschnitten, ritsch, ratsch, das Blut ins Wasser, blubb, blubb … Nur einem Anderen konnte der idiotische Gedanke kommen, in dieser Touristenattraktion nach einem Vampir zu suchen!
    »Manchmal sieht man den Wald vor Bäumen nicht …«, murmelte ich, während ich mich erhob. »Schöne Scheiße …«
    Ein grausamer Mord, in der Tat. Man konnte dem Mörder seinen schwarzen Humor nicht absprechen. Doch die Tat ging uns nichts an. Sollte die Edinburgher Polizei ruhig in der Sache ermitteln.
    Aber weshalb wurde der Junge ermordet? Eine bescheuerte Frage, gewiss. Für den Tod gibt es weitaus mehr Gründe als für das Leben. Ein junger, hitzköpfiger Mann. Der Vater Geschäftsmann und Politikheini. Viktor könnte aus eigener Schuld, aber auch wegen der Angelegenheiten seines Vaters dem Verbrecher zum Opfer gefallen sein. Oder ganz ohne Grund.
    Geser und Sebulon mussten beide gleichermaßen einem Irrtum aufgesessen sein. Denn sie hatten dort eine Gefahr gesehen, wo gar keine lauerte. Und nie gelauert hatte.
    »Vielen Dank für deine Hilfe«, wandte ich mich an Jean. »Ich muss jetzt gehen.«
    »Und du bist doch ein russischer Polizist«, meinte Jean voller Genugtuung. »Hast du was herausgefunden?«
    Mit einem vielsagenden Lächeln schüttelte ich den Kopf.
    »Ich begleite dich noch, Anton«, sagte Jean seufzend. In der Nähe der Verliese stieß ich auf einen einladenden Pub mit der Bezeichnung »Wachtelkönig und Fähnchen«. Drei kleine, durchgehende Räume, dunkle Wände und Decken, alte Lampen, Bierkrüge, Bilder und allerlei Kinkerlitzchen an den Wänden. Der Bartresen mit einem Dutzend Hähnen und einer Batterie

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