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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Wahrscheinlichkeitslinien zu überprüfen: Würde das Flugzeug abstürzen? Egal … Was machte das für einen Unterschied aus? Die Menschen fliegen, ohne an etwas Schlimmes zu denken. Versuche ich das doch auch mal …
    »Ich habe mir alles angeschaut«, meinte Semjon. »Wir starten mit zehn Minuten Verspätung, landen aber pünktlich. Günstiger Wind. Wir haben Glück, oder?«
    Ich stülpte mir die Einwegkopfhörer aus einem Plastikbeutel auf und stöpselte den Stecker in die Dose, die in der Armlehne verborgen war. Fingerte über die Tasten, wählte einen Kanal. Als ich ein bekanntes Lied hörte, hielt ich inne:
     
Geschenktes sollst du nicht verlieren, 
    Bedaure nicht, was du verloren.
    Mit Tränen kannst du ihn nicht rühren, 
    Den Burschen an den Himmelstoren.
    Doch er durchschaut uns ganz und gar, 
    Singt keine Psalmen, macht uns klar, 
    Dass es nur eine Frage gibt:
    Hast du gelebt? Hast du geliebt?
    Hast du gelebt? Hast du geliebt?
    Hast du gelebt? Hast du geliebt? …

 
Zweite Geschichte
 
Der gemeinsame Feind

Prolog
    Der Inspektor vom Brandschutz wies mit dem Finger auf das Räucherstäbchen, das in einem Tonschälchen glomm.
    »Was ist das?«
    »Opium«, antwortete eine junge Frau versonnen.
    In der Buchhaltung senkte sich Stille herab. Auf dem Gesicht des Inspektors erschienen rote Flecke.
    »Ich scherze nicht. Was ist das?«
    »Ein indisches Räucherstäbchen. Es heißt Opium.« Mit einem Blick auf ihre Kollegen fügte die Frau verlegen hinzu: »Kommen Sie aber nicht auf falsche Gedanken, das ist nur die Bezeichnung! Opium ist da überhaupt keins drin!«
    »Wenn Sie bei sich zu Hause Opium oder Hasch rauchen, ist mir das völlig einerlei.« Demonstrativ feuchtete der Inspektor sich die Finger an und löschte das Stäbchen. »Aber hier … hier liegen schließlich überall Papiere herum!«
    »Ich pass ja auf«, empörte sich die Frau. »Außerdem ist das ein spezielles Räuchergefäß. Sehen Sie, die Asche fällt auf einen Keramikuntersetzer. Der Geruch ist so angenehm, alle mögen ihn …«
    Sie sprach beruhigend und sanft auf ihn ein, wandte sich in jenem Ton an ihn, in dem Erwachsene kleinen Kindern etwas erklären. Der Inspektor wollte noch etwas hinzufügen, doch in dem Moment schaltete sich eine ältere Frau ein, die ein wenig abseits am größten Schreibtisch saß, das Gesicht den übrigen Buchhalterinnen zugewandt. »So leid es mir tut, Verotschka, aber der Inspektor hat völlig recht. Der Geruch ist schwer. Jeden Abend habe ich Kopfschmerzen davon.«
    »In Indien reißt man wahrscheinlich permanent die Fenster auf«, mischte sich eine dritte Frau ins Gespräch. »Außerdem übertünchen sie damit ihre eigenen Düfte. Um die hygienischen Bedingungen ist es dort einfach fürchterlich bestellt. Die Latrinen liegen praktisch vorm Haus, und alles verfault im Handumdrehen, das Klima ist so. Da muss man den Gestank irgendwie vertreiben. Aber bei uns? Wozu?«
    Eine vierte Frau, die in Veras Alter war, starrte kichernd auf den Bildschirm ihres Computers.
    »Aber … das hättet ihr mir doch sagen können!«, rief Vera aus. In ihrer Stimme schwang ein weinerlicher Unterton mit. »Warum habt ihr denn nicht schon früher was gesagt?«
    »Wir wollten dich nicht verletzen«, sagte die ältere Frau.
    Vera sprang auf und stürzte, die Hände vors Gesicht gepresst, in den Flur hinaus. Ihre Absätze trommelten übers Parkett, in einiger Entfernung schlug die Toilettentür zu.
    »Früher oder später hätten wir ihr das ohnehin sagen müssen«, meinte die ältere Frau seufzend. »Ich kann diese Kerzen einfach nicht länger ertragen. Egal, ob es nun Opium ist, Jasmin oder Nelken …«
    »Erinnert ihr euch noch an Paprika und Kardamom?«, rief die junge Frau. »Einfach scheußlich!«
    »Du solltest nicht so über deine Freundin herziehen. Sieh lieber nach Vera, sie hat sich das sehr zu Herzen genommen …«
    Bereitwillig erhob sich die junge Frau und verließ die Buchhaltung.
    Mit verständnislosem Blick betrachtete der Inspektor die Frauen. Dann sah er seinen Begleiter an, einen jungen, leicht pummeligen Mann in Jeans und T-Shirt. Neben dem im Anzug auftretenden Inspektor wirkte er völlig unsolide.
    »Das reinste Tollhaus«, konstatierte der Inspektor. »Allenthalben werden die Bestimmungen zum Brandschutz missachtet. Wie kommt es, dass Sie noch nicht geschlossen wurden?«
    »Ich kann mich selbst nur wundern«, versicherte der Mann. »Manchmal frage ich mich auf dem Weg zur Arbeit: Ob es das jetzt war? Ob

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