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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Fingerübungen mit uns gemacht. Jeder Pianist würde uns beneiden …
    Das Monster erstarrte. Dann drehte es sich mir langsam zu. Das rote Feuer in seinen Augen verlosch. Der Deva winselte leise -wie ein junger Hund, dem man die Pfote zerquetscht. Dann öffnete er seine Hand. Der Penis bröckelte ab und regnete in zahllosen grauen Funken nieder, gleichsam als stöben von einem Lagerfeuer verkohlte Holzstücke auf. Dann zerfielen die Finger. Der Deva heulte nicht einmal, er schluchzte nur, hielt mir die fingerlosen Hände entgegen und schüttelte den blinden Kopf.
    So hatten auch die großen Magier des Orients die Devas gebändigt …
    Nach wie vor hielt ich das Zeichen des Staubs aufrecht, ließ ich die Kraft durch mich hindurchströmen. Es dauerte lange -drei Minuten in der Zeit der zweiten Schicht –, bis der Deva vollständig in eine Handvoll Asche verwandelt war.
    »Kalt, oder?«, fragte Afandi, der jetzt tänzelte. Dann trat er an die Überreste des Devas heran, streckte die Hände aus, rieb und wärmte sie. Anschließend spuckte er in die Asche und murmelte: »Oh, Sohn der Sünde und Vater der Niedertracht …«
    »Vielen Dank, Afandi«, sagte ich, während ich mich von der mit Reif bedeckten Erde erhob. In der zweiten Schicht ist es in der Tat fürchterlich kalt. Nur gut, dass ich es wie durch ein Wunder geschafft hatte, die Tasche mit meinen Sachen nicht zu verlieren. Nach wie vor hing sie über meiner Schulter. Obwohl … vielleicht hatte ja Swetlana dieses Wunder mit einem Zauber der Verwandtschaft bewirkt? »Vielen Dank, Großväterchen. Lassen Sie uns von hier weggehen, es wird Ihnen Mühe bereiten, hier lange zu verweilen.«
    »Ai, danke, mächtiger Krieger.« Afandi strahlte. »Du hast mir gedankt? Darauf werde ich mein ganzes nichtsnutziges Leben lang stolz sein! Der Bezwinger des Devas hat mich gelobt!«
    Schweigend fasste ich ihn beim Ellbogen und zog ihn in die erste Schicht. Die Vernichtung des Devas hatte mich so viel Kraft gekostet, dass es auch mir Mühe bereitete, länger im Zwielicht zu bleiben.

Vier
    In der Teestube war es düster und dreckig. An der Decke surrten fette Fliegen um schwache Lampen mit Schirmen voller Fliegendreck. Wir saßen auf speckigen bunten Kissen beziehungsweise kleinen Matratzen um einen niedrigen, 15 cm hohen Tisch herum. Ein ganz normaler Tisch, der lediglich kürzere Beine hatte. Und über dem eine grelle, ebenfalls schmutzige Tischdecke lag.
    In Russland hätte man ein solches Cafe kurzerhand geschlossen. In Europa wäre der Besitzer im Knast gelandet. In den USA hätte man dem Eigentümer eine unvorstellbar hohe Strafe aufgebrummt. Und irgendwo in Japan hätte der Betreiber einer derartigen Einrichtung aus Scham Seppuku begangen.
    Solch aromatische Düfte wie in dieser kleinen, völlig untouristischen Teestube hatte ich allerdings noch nirgendwo gerochen!
    Kaum hatten wir unsere Verfolger abgehängt, hatten wir uns getrennt. Der Dunkle hatte sich auf die Suche nach seinen Kollegen gemacht, um Bericht über die Ereignisse zu erstatten. Valentina Iljinitschna und Nodir wollten die Lichten aus der Reserve der Wache zusammentrommeln, sich mit Taschkent in Verbindung setzen und um Verstärkung bitten. Alischer, Afandi und ich hatten uns in ein Taxi gesetzt und waren zu dieser Teestube gefahren, die an der Peripherie Samarkands unweit eines kleineren Basars lag. Allmählich gelangte ich zu der Überzeugung, es müsse in Samarkand mehr als ein Dutzend Basare und mit Sicherheit mehr Basare als Museen und Kinos zusammengenommen geben.
    Unterwegs hatte ich den Maskenzauber für mich gewirkt und war zum Doppelgänger Timurs geworden. Junge Magier glauben aus irgendeinem Grund, man dürfe das Äußere eines Toten nicht annehmen. Das geht auf die unterschiedlichsten Formen von Aberglauben zurück, angefangen vom »baldigen Tod« bis hin zur »Aneignung fremder Gewohnheiten«. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, Angewohnheiten seien Flöhe, die nach dem Tod des Wirts in alle Richtungen davonlaufen, um einen möglichst ähnlichen neuen Körper zu finden. Da ich niemals abergläubisch gewesen war, schlüpfte ich ohne zu zögern in Timurs Gestalt. Schließlich musste ich mich als Einheimischer ausgeben. Ein Fremder von europäischem Aussehen nähme sich in dieser Teestube etwa so dämlich aus wie ein Papua bei der Heumahd in einem russischen Dorf.
    »Hier kann man sehr gut essen«, erklärte Alischer halblaut, nachdem er die Bestellung aufgegeben hatte. Da ich kein Wort

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