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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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das Nachbarhaus gänzlich fehlte. Wir rannten die menschenleere Straße bis zur nächsten Kreuzung hinauf, wo wir in eine ebenso schmale Gasse einbogen, die zum Basar führte. Letztendlich führte hier jede Straße zum Basar … Nodir schluchzte oder fluchte. Afandi spähte die ganze Zeit umher und verfolgte verwundert den vor dem leeren Haus tobenden Kampf. Anscheinend fielen die Angreifer in dem Tohuwabohu schon übereinander her.
    Die Dunklen hielten sich besser. Valentina Iljinitschna ging in der Mitte, die beiden Dunklen schützten effektiv die Flanken. Ich kam zu dem Schluss, dass wir die Verfolger abgeschüttelt hatten – ein für einen Hohen Magier unverzeihlicher Fehler. Oder zumindest ein fast unverzeihlicher.
    Letztendlich hatte ich nie wirklich an die Existenz von Devas geglaubt.
    In der europäischen Tradition gibt es Golems. Wesen, geschaffen aus Lehm, Holz oder sogar aus Metall. Die hölzernen Golems werden in Russland heute liebevoll Burattino oder Pinocchio genannt, obwohl die letzte funktionierende Holzpuppe bereits im 18. Jahrhundert vermodert ist. Wie die Zeitgenossen sie nannten, weiß ich nicht. Im Unterricht haben wir gelernt, Burattino herzustellen, was ebenso amüsant wie lehrreich war. Die zum Leben erweckte Holzpuppe lief umher, erledigte simple Arbeiten, sprach sogar – und zerfiel nach ein paar Minuten zu Staub. Um einem hölzernen Golem wenigstens für ein paar Tage Leben einzuhauchen, muss sich ein sehr starker und sehr geschickter Magier ans Werk machen. Doch ein derart erfahrener Magier braucht keinen dummen Burattino. Noch schwieriger ist es, eine Metallfigur zu beleben. Ich erinnere mich noch, wie Sweta einmal für Nadjuschka eine laufende Puppe aus Büroklammern geschaffen hat, die kaum drei
    Schritte gegangen war, bevor sie für immer erstarrte. Lehm ist erstaunlich formbar, für die Animation geeignet und speichert die Magie lange. Doch selbst Lehmgolems werden heute nur selten hergestellt.
    Im Orient gab es dagegen Devas. Genauer gesagt, man glaubte, dass es sie gab. Im Grunde sind sie Golems, die jeder materiellen Grundlage entbehren: belebte Klumpen des Zwielichts, Kraftstrudel. Den Legenden zufolge gilt die Erschaffung eines solchen Devas – die Araber nennen sie meist Dschinn – als eine Art Examen für Magier, mit dem sie den Grad des Hohen erlangen. Zunächst muss er einen Golem schaffen, dann ihn sich gefügig machen. Einige scheitern bereits an der ersten Hürde; weitaus trauriger ist jedoch das Los derjenigen, die die zweite nicht nehmen.
    Ich hatte die Devas immer ins Reich der Legenden verwiesen. Im besten Fall sah ich sie als Ausnahmen an, bei denen einem der großen Magier aus der Vergangenheit ein- oder zweimal ein Experiment geglückt war. Weit von mir wies ich natürlich die Annahme, Devas könnten auch heute noch existieren. Die Wächter vor Ort glaubten jedoch anscheinend an sie.
    Ihnen mangelte es allerdings an Kraft, um zu erkennen, dass sich ein Deva näherte.
    Der junge Dunkle – seinen Namen hatte ich immer noch nicht in Erfahrung gebracht – schrie auf und hämmerte mit den Armen los, als wehre er sich gegen etwas Unsichtbares. Es riss ihn vom Boden hoch, trug ihn nach oben und hielt ihn, zeternd und zitternd, in Höhe eines einstöckigen Hauses in der Luft. Erschaudernd beobachtete ich, wie der Dunkle seitlich wegknickte, als drücke ihn eine gigantische Hand, und seine Kleidung verkohlte. Der Schrei ging in ein Röcheln über.
    Dann bildete sich auf dem Körper des Dunklen ein blutiger Streifen. Im nächsten Augenblick fiel der zerhackte – oder besser zerbissene – Körper zu Boden.
    »Die Schilde!«, schrie Alischer.
    Ich verstärkte meinen Schutz nicht. Erstens wusste ich nicht, ob er mir überhaupt gegen einen Deva helfen würde. Zweitens gab es hier nur einen, der ihm entgegentreten konnte: mich.
    Gleich darauf tauchte ich in die zweite Zwielicht-Schicht ein.
    Wo ich den Deva sofort sah.
    Ein elastischer, aus Feuerströmen und Rauch zusammengesetzter Körper, der in der Tat an den Dschinn aus den Märchen erinnerte. Es dominierte graues Licht, sogar die Flammenzungen waren schwarz-grau und wiesen nur eine kaum wahrnehmbare glutrote Nuance auf. Beine hatte der Deva nicht. Der Rumpf verjüngte sich und verwandelte sich dann in einen Schlangenkörper, der sich bei jeder Bewegung wand. Vom Boden unter ihm stieg Dampf auf – wie von feuchter Bettwäsche unterm Bügeleisen. Der Kopf, die Arme und sogar die linkisch aus dem Schlangenkörper

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