4 - Wächter der Ewigkeit
her, es wird dir gefallen. Die Zauber gegen Golems solltest du dir auch noch schnell eintrichtern, Gerüchten zufolge läuft hier noch einer rum.«
»Was für ein Albtraum …«, murmelte Edgar. »Ich bin auf Kreta. Stehe in Badehose am Strand. Meine Frau schmiert mir den Rücken mit Sonnencreme ein. Und jetzt soll ich in drei Stunden in Amsterdam sein, um von dort aus unverzüglich nach Usbekistan aufzubrechen! Als was würdest du das bezeichnen?«
»Als Globalisierung, Sir«, teilte ich ihm mit.
Edgar stöhnte auf. »Meine Frau bringt mich um«, meinte er dann. »Wir verbringen hier unsere Flitterwochen. Sie ist übrigens eine Hexe! Und ich soll in irgendein dämliches Usbekistan fahren!«
»Das ist nicht irgendein dämliches Land, Edgar«, konnte ich mir eine bissige Antwort abermals nicht verkneifen. »Früher haben wir mit ihm sogar einen gemeinsamen Staat gebildet. Betrachte deinen Besuch also als gestundete Patriotenpflicht.«
Edgar war momentan jedoch nicht für Sarkasmus oder spitze Bemerkungen zu haben.
»Wo finde ich dich?«, fragte er nach einem schweren Seufzer.
»Ruf mich an«, antwortete ich bloß. Dann beendete ich das Gespräch.
»Die Inquisition.« Alischer signalisierte mit einem Nicken, dass er das mitbekommen hatte. »Sind die auch schon aufgewacht! Bestimmt werden sie nun etwas finden, womit sie sich hier beschäftigen können.«
»Zunächst sollten sie in den eigenen Reihen aufräumen«, meinte ich. »Bei ihnen im Büro muss doch jemand ein falsches Spiel spielen.«
»Nicht unbedingt«, setzte Alischer zur Verteidigung der Inquisition an. »Es könnte auch ein Inquisitor im Ruhestand sein.«
»Ach ja? Und woher wussten die Menschen, dass Geser mich nach Samarkand geschickt hat? Das hat er nur der Inquisition mitgeteilt!«
»Unter den Verrätern gibt es auch einen Lichten Heiler«, rief mir Alischer in Erinnerung.
»Willst du damit sagen: einen Hohen Lichten aus unserer Nachtwache? Einen Heiler? Der für den Feind arbeitet?«
»Siehst du eine Alternative?!«, gab sich Alischer trotzig.
»Bei uns in der Wache gab es nur einen Lichten Heiler Hohen Grades«, erwiderte ich gelassen. »Genauer gesagt, eine. Meine Frau.«
Alischer erstarrte. Schüttelte den Kopf. »Entschuldige, Anton! Das habe ich nicht gemeint!«
»Ach, Schluss mit den Streitigkeiten!«, mischte sich Afandi mit der gewohnten Stimme eines leicht närrischen Menschen ein. »Die Schurpa wird kalt! Was ist schlimmer als kalte Suppe? Nur warmer Wodka!«
Spitzbübisch blickte er sich um und fuhr mit der Hand über die Schalen mit der Schurpa. Von der erkalteten Suppe stieg erneut Dampf auf.
»Wie können wir mit Rustam sprechen, Afandi?«, wiederholte ich.
»Iss deine Suppe«, brummelte der Alte. Und ging selbst mit gutem Beispiel voran.
Ich brach mir ein Stück von dem Fladenbrot ab und machte mich über die Schurpa her. Was sollte ich sonst tun? Orient bleibt Orient. Niemand antwortet hier gern direkt. Vermutlich stammen die besten Diplomaten der Welt aus dem Orient. Sie bringen nie ein »Ja« oder »Nein« über die Lippen – versagen sich aber wahrlich nichts.
Erst nachdem Alischer und ich die Suppe aufgegessen hatten, brachte Afandi mit einem Seufzer hervor: »Vermutlich hat Gäsär recht. Vermutlich darf er von Rustam eine Antwort verlangen. Eine Antwort auf eine Frage.«
Immerhin ein kleiner Sieg!
»Warte.« Ich nickte. Die Frage musste natürlich genau so gestellt werden, dass sie jede Möglichkeit einer doppeldeutigen Antwort ausschloss. »Nur eine Minute …«
»Weshalb die Hetze?«, verwunderte sich Afandi. »Eine Minute, eine Stunde, einen Tag … Denk nach.«
»Im Prinzip bin ich bereit«, meinte ich.
»Ja, und? Wen willst du fragen, Anton Gorodezki?« Afandi grinste spöttisch. »Hier ist kein Rustam. Wir werden zu ihm fahren, und du wirst ihm deine Frage stellen.«
»Hier ist kein Rustam?« Beinah hätte es mir die Sprache verschlagen.
»Nein«, antwortete Afandi mit fester Stimme. »Verzeih mir, wenn meine Worte dich in die Irre geleitet haben. Doch wir müssen zum Plateau der Dämonen fahren.«
Allmählich konnte ich mir vorstellen, warum Geser sich mit Rustam verkracht hatte. Begriff, dass Merlin – ungeachtet all seiner bösen Taten – eine ausgesprochen gute Seele und ein Anderer von großer Geduld war. Denn Afandi war Rustam. Da brauchte man keine Wahrsagerin zu konsultieren!
»Entschuldigt mich kurz …« Afandi erhob sich und steuerte auf eine Tür in der Ecke der Teestube zu. An
Weitere Kostenlose Bücher