Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
lasse dich peitschen, bis du höflich wirst. Gestehe, daß du es selbst gewesen bist!“
    „Warum fragt Ihr dann, wenn Ihr das so genau wißt?“ entgegnete der Gitano, indem er sich langsam erhob und gähnend die schlanken Glieder streckte, als befände er sich in der sicheren Mitte der Seinen und nicht in einer so lebensgefährlichen Lage.
    „Damit hast du deine Schuld eingestanden und wirst den Lohn des Verräters haben. Bindet ihn!“
    Sofort traten einige der Leute herbei, um der Weisung zu gehorchen. Er streckte ihnen mit einem ruhigen, überlegenen Lächeln die Hände entgegen und verzog keine Miene, als sie ihm die Arme in einer Weise zusammenschnürten, die ihm jedenfalls Schmerzen verursachen mußte.
    Das Mädchen hatte sich erhoben und trat mit einer angstvollen, abwehrenden Bewegung auf den Colonel zu. Dieser warf einen langen Blick auf die schöne Gestalt der Bittenden und sprach dann:
    „Spare deine Worte, mein Schätzchen; sie werden ihm und dir nichts helfen. Übrigens ist es jammerschade, daß ein so niedliches Kind wie du seine Schönheit nicht besser zu verwerten weiß. Ich werde dir Gelegenheit dazu geben, und wenn du verständig und gehorsam bist, wird Don Enrico de Calanda y Munilla vergessen, in welcher Gesellschaft er dich getroffen hat.“
    Trotz der Bräune ihres Gesichtes war doch die glühende Röte zu bemerken, welche dasselbe bei diesen Worten überzog. Der Offizier, dieses mißdeutend, fuhr fort:
    „Deine gegenwärtige Gesellschaft taugt nicht für dich. Gehe dort zu meinen Leuten und nimm teil an dem Mahl, welches sie eben bereiten. Nach demselben wird die Exekution des Mörders vorgenommen werden. Über die anderen mag ein Kriegsgericht entscheiden.“
    Er winkte einem der Seinigen, welcher herzutrat und die Widerstrebende mit sich fortzog.
    Unwillkürlich warf ich dabei einen Blick auf den Zigeuner. Ganz gegen meine Erwartung blieben seine Züge unbeweglich und ausdruckslos. Die unfreiwillige Entfernung seiner Begleiterin schien ihn nicht zu berühren, vielmehr bemerkte ich, daß seine Aufmerksamkeit mehr auf mich als auf sie gerichtet war.
    Man hatte ihn in meine Nähe plaziert, so daß wir uns bei einiger Vorsicht verständlich machen konnten. Während der Colonel seinen Ruheplatz suchte und die anderen mit dem frugalen Mahle beschäftigt waren, raunte er mir, indem er nach der über mir befindlichen Maueröffnung winkte, hastig zu:
    „Was wollte der?“
    Er hatte also Bonomaria gesehen und in ihm jedenfalls einen uns freundlich gesinnten Mann erkannt.
    „Der Besitzer dieses Hauses. Er holt Militär!“ antwortete ich.
    „Ist welches in der Nähe?“
    Ich nickte und winkte nach der Richtung zu, welche der Estanciero eingeschlagen hatte.
    Da erscholl aus der Gruppe der Carlisten ein lauter Schrei, bei welchem, während ich nur den Kopf wendete, der Gitano mit einem Satz in die Höhe schnellte. Einer der Leute hatte seinen Arm um das Mädchen gelegt und versuchte, ihr einen Kuß aufzudrängen. Sie wehrte sich gegen diese Berührung und wiederholte, während die anderen roh lachten, ihren Hilferuf.
    Schon stand der Zigeuner vor dem Colonel.
    „Señor“, sprach er, „ich werde nicht zugeben, daß man meine Schwester beschimpft. Daß Ihr sie von mir wegnahmt, mußte ich leiden; denn ich befinde mich in Eurer Hand. Aber wenn Ihr nicht sofort gebietet, daß Eure Untergebenen von ihr lassen, werde ich selbst sie gegen Mißhandlungen in Schutz nehmen!“
    Erstaunt blickte der Offizier den jungen Mann an, welcher vor ihm stand, nicht als befinde er sich in Fesseln und gehöre einem zurückgesetzten Volksstamm an, sondern als sei er hier Herr und Gebieter, dem man Gehorsam leisten müsse.
    „Bist du wahnsinnig, Mensch“, rief er, „oder hat die Angst dich betrunken gemacht?“
    „Angst?“ fragte der Gitano, indem er mit einem geringschätzenden Blicke die Gestalt seines Gegners übermaß. „Don Enrico de Calanda y Munilla ist zwar ein tapferer Offizier, und es ist zu beklagen, daß er seinen Arm einer so ungerechten Sache gewidmet hat, aber mir Furcht einzuflößen, dazu ist er der Mann doch noch nicht! Ich wiederhole also, Señor, daß ich jeden, der es zum zweiten Mal wagen sollte, das Mädchen anzurühren, eine Kugel durch den Kopf jagen werde. Jetzt wißt Ihr, was Ihr zu tun habt.“
    „Ja, das weiß ich, mein Söhnchen. Ich werde dich um etwas fester schließen lassen und dir sodann im Irrenhaus ein ruhiges Zimmerchen verschaffen, wo du den Helden spielen kannst, ohne

Weitere Kostenlose Bücher