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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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passiert hatten, und sofort legten sich die Finger der im Hinterhalt Liegenden zum Schuß an die Drücker; da aber ertönte ein kurzer, scharfer Pfiff, und in demselben Augenblick warf sich der Erschienene zurück, und der Platz war wieder leer wie vorher.
    Überrascht und zornig war der Oberst bei dem verräterischen Pfiff aufgesprungen und hatte das Auge auf uns geworfen. Aber er schien nicht genau zu wissen, aus welcher Richtung der Laut gekommen war, und zudem durfte jetzt keine Zeit verloren werden, wenn die Gewarnten nicht entkommen sollten.
    Schnell gab er deshalb die nötigen Befehle und stürmte dann, eine hinreichende Wache bei uns zurücklassend, vorwärts.
    Der Hinterhalt mußte die Zurückkehrenden schon aufgenommen haben, wie die rasch hintereinander fallenden Schüsse bewiesen, und da es dann plötzlich wieder ruhig wurde, so waren die Überfallenen entweder glücklich entkommen oder niedergemacht worden. Ich glaubte das erstere annehmen zu dürfen, wurde aber sofort eines anderen belehrt; denn mitten in die augenblickliche Stille hinein erscholl jetzt ein lautes Jubelgeschrei, und nach einigen Augenblicken der Ungewißheit und des Wartens von unserer Seite kehrten die Carlisten zurück, den feindlichen Offizier als Gefangenen in ihrer Mitte.
    Seine Uniform hing in Fetzen um den Körper, und das Blut strömte ihm aus mehreren Wunden. Er mußte wacker gekämpft haben und jedenfalls mit dem Colonel zusammengekommen sein; denn auch dieser war verwundet und warf Blicke auf ihn, in denen sich Haß und Rachelust nur zu deutlich aussprachen.
    „Bindet ihn und schafft ihn einstweilen zu den anderen dort! Er ist nichts anderes als sie, ein Spion, und wird also auch mit ihnen aufgeknüpft.“
    „Hoffentlich sind diese Worte nur eine Folge des Schmerzes, welchen Euch Eure Wunde verursacht, Colonel. Ich bin weder ein Spion noch sonst ein Individuum, welches gewohnt ist, mit Stricken in Berührung zu kommen, und Ihr werdet nicht weniger als ich wissen, wie man Offizieren zu begegnen hat“, antwortete der Gefangene, und seine hohe, stolze Gestalt schien bei dieser Entgegnung zu wachsen.
    „Pah! Gebt Euch keine Mühe, mich mit den Regeln der Höflichkeit bekannt zu machen. Wir befinden uns nicht im Salon, und wer Blut vergießt, des Blut wird wieder vergossen. Auge um Auge, Leben um Leben. Warum ergebt Ihr Euch einer Sache, welche die angestammten Rechte Seiner Majestät mit Füßen tritt!“
    Verächtlich zuckte der Leutnant, denn in diesem Rang schien der Gefangene nach dem Abzeichen seiner Uniform zu stehen, die Achsel und wandte sich, um zu uns zu treten. Kaum aber hatte er einen Blick auf den Zigeuner geworfen, welcher, den Finger mahnend an die Lippen gelegt, in der Ecke lehnte, so trat er erschrocken einen Schritt zurück, faßte sich aber sofort wieder und fragte, zurückblickend:
    „Wollt Ihr mich wirklich zu solcher Gesellschaft verurteilen?“
    „Geht nur immer zu! Sie ist ehrenwert genug für einen Mann, dem der Strick bestimmt ist.“
    Der so Abgewiesene nahm Platz auf einem der wirr übereinander liegenden Steine und versuchte, das aus seiner Wunde, die mir nicht sehr gefährlich zu sein schien, fließende Blut zu stillen. Schon beim ersten Blick auf ihn war mir eine ganz frappante Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Zigeuner aufgefallen, und sein Erschrecken beim Erblicken des letzteren machte eigentümliche Gedanken in mir rege.
    War diese Ähnlichkeit wirklich nur eine zufällige, so mußten sie sich doch kennen, wie mir das Verhalten beider bewies, und wenn ich mir die Situation überdachte, so kam ich zu der Überzeugung, daß ich vor einem Ereignis stand, welches auch auf meine eigene Lage von Einfluß sein konnte.
    Hart neben mir lag der gefesselte Mulero. Es hatte bisher geschienen, als ergebe er sich in sein Schicksal; aber jetzt bemerkte ich an seinen Mienen, daß er mir etwas zu sagen wünsche. Deshalb streckte ich mich lang auf die Erde und suchte mit möglichster Unbefangenheit mein Ohr so weit wie möglich in seine Nähe zu bringen.
    „Stricke zerschneiden!“ flüsterte er mir zu. Ich winkte bejahend mit den Augen und beschloß, ihm den Wunsch zu erfüllen, trotzdem ich mich in nicht geringe Gefahr dabei brachte.
    Er wälzte sich etwas auf die Seite, um mir Gelegenheit zu geben, zu den auf dem Rücken gebundenen Händen zu gelangen. Dabei fuhr sein Auge beobachtend über die Umgebung, und ich bemerkte, daß dabei ein Blitz freudiger Überraschung über sein Gesicht fuhr.
    Schnell

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