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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wird ihren Weg schon finden.“
    Der Offizier schien diese derbe Antwort keiner Entgegnung wert zu halten und wandte seinen Blick auf uns andere. Nachdem sein Auge mit verächtlichem Ausdruck über die beiden Zigeuner hinweggeglitten war, haftete es forschend auf mir.
    „Erhebt Euch, Mann! Oder wißt Ihr nicht, daß man mit einem königlichen Offizier nicht im Liegen spricht?“
    „Entschuldigung, Señor; das Sprechen soll wohl erst beginnen.“
    „Unternehmt es ja nicht etwa, mich zu korrigieren! Wer seid Ihr?“
    Statt aller Antwort gab ich ihm die Passierkarte, welche mir von meinem Chef ausgewirkt worden war.
    Ich machte ihn mit der Ursache meiner Reise bekannt und teilte ihm mit, daß ich beabsichtige, nach Saragossa zu gehen.
    „Das ist nicht wahr! Wie kommt Ihr sonst an diesen Ort hier, da Euch Euer Weg doch nach Pamplona führen würde. Ihr seid kein Spanier. Wo ist Euer Vaterland?“
    „Ich bin ein Deutscher und stehe unter dem Schutz meiner Regierung.“
    „Laßt Euch nicht auslachen! Wenn Eure Regierung Euch schützen soll, so müßt Ihr hübsch zu Hause bleiben und dürft Euch nicht in Gesellschaft von Mördern hier in den Bergen herumtreiben. Macht Euch gefaßt, mit –“
    Er stockte mitten in der Rede. Sein Blick war auf die gegenüberliegenden Höhen gefallen und schien dort auf etwas zu haften, was Wichtigkeit genug haben mußte, seine gespannte Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen.
    Ich folgte der Richtung seines Auges und bemerkte eine kleine Truppe Militär, welche seitwärts zwischen den Bergen hervorgekommen war und nun denselben Weg einschlug, welchen wir geritten waren. Sie bestand aus einem Offizier mit sechs Mann Soldaten und war jedenfalls bestimmt, eine Rekognition der umliegenden Gegend vorzunehmen. Wir befanden uns auf einem höheren Punkt als sie, und da die Carlisten durch die Trümmer der Ruine und nebenstehendes Gesträuch Deckung fanden, konnten sie nicht bemerkt werden.
    „Habt acht, Leute: da drüben kommt der Feind!“ kommandierte der Colonel, welcher in den Nahenden sofort Regierungstruppen erkannt hatte. „Es ist eine Streifpatrouille, welche wir ausheben müssen. Nunez, du gehst mit drei Mann zurück bis an die Stelle, wo sich der Weg um die Felsen biegt, und schießt jeden nieder, der uns etwa entkommen sollte, und du, Pedrillo, schleichst dich vorwärts, bis du etwa genügende Deckung zu einem Hinterhalt hast, um dafür zu sorgen, daß dem Feind der Rückweg abgeschnitten ist. Ich selbst lege mich mit den übrigen hin in die Ruine, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn uns einer von ihnen entginge. Schafft die Tiere beiseite und haltet ein scharfes Auge auf die Gefangenen. Wer sich von ihnen rührt, wird niedergeschossen.“
    Es wurde dem Befehl mit der größten Schnelligkeit Folge geleistet, und kaum waren einige Sekunden vergangen, so lag der kleine freie Platz leer vor dem Gemäuer, und tiefe Stille herrschte ringsumher.
    Der Befehl des Obersten, jeden von uns, der sich bewegen werde, niederzuschießen, hatte auf mich keinen großen Eindruck gemacht. Ich war vollständig unbeteiligt bei der Sache und konnte also ruhig liegen bleiben. Anders schien es bei dem Gitano zu sein.
    Mit scharfem Auge war er jeder Bewegung der Carlisten gefolgt, und als jetzt der Augenblick der Entscheidung nahte, spiegelten sich die widerstreitendsten Empfindungen auf seinem schönen Angesicht ab. Um dies nicht den Wächtern merken zu lassen, hatte er sich zur Seite gewandt, und so war es mir möglich, ihn und seine Begleiterin genau zu beobachten. Sie flüsterten leise und hastig miteinander, und während er ihr einen Entschluß mitzuteilen schien, sprach sie mit einem so flehenden Ausdruck zu ihm, daß der Zug von Entschlossenheit, welcher sich in seinen Mienen aussprach, mehr und mehr schwand und er endlich mit einem langsamen Neigen des Hauptes sich in ihren Willen ergab.
    Mit dankbarem Lächeln blickte sie zu ihm auf, und als bedürfe es noch einer Begründung ihrer Bitte, entfuhr es halblaut ihren Lippen:
    „Es sind ihrer zu viel!“
    Er antwortete mit einem überlegenen Schütteln des Kopfes und legte sich dann lauschend in die Ecke zurück.
    Jetzt vernahm man nahende Schritte. Die hinter den Trümmern im Anschlag knieenden Carlisten hielten ihre Blicke auf den Punkt gerichtet, an welchem ihre nichts ahnenden Gegner erscheinen mußten, und jeder Augenblick konnte diesen jetzt den sicheren Tod bringen. Schon trat der erste von ihnen um die Ecke, welche auch wir vorhin

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