40 - Im fernen Westen
eene feine Art und Weise mit bei, daß ich 'nen Appetit off Gouvernantenlippen habe! Sapperlot noch 'mal, da steht sie ja gleich, unsre Königin, und hat den ganzen Kram mit angehört. Na, Majestät, sein Sie nur nicht bös deshalb. Unsereener redet alleweile grad' so, wie ihm der Schnabel gewachsen is.“
Er ging mit Thomas in den Saal zurück und ließ die beiden Majestäten allein.
„Meine Königin hat den Wunsch des treuherzigsten Ihrer Untertanen vernommen.“
Sie errötete und erwiderte mit schalkhaftem Lächeln:
„Es ist Uns die Kenntnis über die Wünsche der Unsrigen sehr angelegen.“
„Und diese Kenntnis verfolgt den Zweck der Erfüllung dieser Wünsche?“
„Ohne Zweifel, sobald dieselben billig sind.“
„Dürfen wir Uns zu der verheißungsvollen Ansicht neigen, daß der vorhin vernommene Wunsch zu dieser glücklichen Kategorie gehöre?“
„Vielleicht. Nur dürfte die Ressortfrage eine unentschiedene bleiben.“
„Untersuchen Wir diesen Kasus. Der Kuß als Dankeszahlung gehört in das Ressort des Finanzministers, der Kuß als Opfer in dasjenige des Kultusministers, der Kuß als Äußerung einer innerlichen Gesinnung in dasjenige des Ministers des Innern, der Kuß als Friedenszeichen in dasjenige des Kriegsministers und der Kuß als Buß- und Sühnezeichen in dasjenige des Justizministers.“
„Dann müßten Wir Uns in Erwägung des Geschehenen für den letzteren Fall entscheiden und mit Ergebung in die Strenge des Gesetzes die über Uns verhängte Strafe tragen.“
„Das klingt so widerstrebend, daß Wir Uns bewogen fühlen, diese Strenge durch ein nachsichtsvolles Arrangement zu mildern und auf dem Gnadenweg dem finsteren Verhängnis zu begegnen.“
„Wir sagen Dank und fügen Uns in Euren hohen, gnadenreichen Willen.“
Sie gingen in den Saal und traten zu Thomas, welcher soeben seine Tänzerin verlassen hatte, um den König aufzusuchen.
„Geruhen Majestät, eene untertänigste Frage des Hofkapellmeesters vorzutragen?“
„Nee, Wir geruhen nich, geruhe du, Anton!“ lachte Winter.
„Ach so, hab' ich wieder 'mal 'nen Bock geschossen? Ihr habt mich ooch zu meinem Unglück zum Oberhofkurier gemacht; denn wo ich nur das Maul offtue, da werde ich allemal ausgelacht.“
„Mach's besser. Also deine Frage?“
„Das Konzert soll beginnen. Werden Eure Königliche Gnaden untertänigst belieben, eene gehorsamste Solopartie vorzutragen?“
„Nein. Bei Unsrer hohen Stellung ziemt es sich nicht für Uns, mit Gimpeln und Zeisigen gehorsamst und untertänigst um die Wette zu zwitschern; aber sobald wir die Krone von Unserem Haupte getan, wird der Bariton Emil Winter ein Liedchen vortragen, welches äußerst wertvoll durch den Umstand ist, daß er es selbst gedichtet und in Musik gesetzt hat. Jetzt aber, Herr Oberhofkurier, tut Eure Ohren auf und vernehmt den gnädigen Entschluß, daß Wir noch vor dem Konzert den Thron besteigen werden, um an der Seite Unsrer hohen Herrin Uns an dem Dank zu weiden, den Eure Damen Euch noch schuldig sind. Der Kußwalzer mag beginnen!“
„Kußwalzer? Mein' Seel'! Majestät, du bist een ganzer Kerl! Warum, das brauche ich dir ooch jetzt nicht erst zu sagen. Na, Gouvernantchen, freue dich alleweile off deinen Schmied!“
Mit raschen Schritten eilte er davon, um die frohe Botschaft weiter zu tragen.
Als nach einiger Zeit Winter sich mit Wanda zurückzog, um einen Augenblick der Erholung zu finden, fragte die Polin:
„Sie singen auch?“
„Zuweilen ein Liedchen.“
„Welches Sie natürlich selbst dichten und komponieren?“
„Nicht immer. Bei unserem Reichtum an wertvollen, tonkünstlerischen Werken hat ein Autodidakt, wie ich, keine Veranlassung, sich auf die anspruchslosen Kinder seiner Mußestunden zu beschränken.“
„Bei diesem fremden Wort fühle ich immer ein verwandtschaftliches Mitgefühl für jene reichbegabten Naturen, welche, an kleinliche Verhältnisse gebannt, in ihnen keine Befriedigung finden können, oder gar zu Grunde gehen müssen, weil sie für Größeres angelegt sind.“
Er blickte sie überrascht an. Kannte sie sich wirklich so genau, daß die Selbsterkenntnis ihr diese Worte diktierte? Er entgegnete mit leisem Kopfschütteln:
„Zu Grunde gehen? Sollte eine großangelegte Natur nicht die Kraft besitzen, auch das Kleine zu überwinden?“
„Das Kleine, ja, aber nicht das Kleinliche. Ich kenne leider diesen Unterschied.“
„Das Kleine ist zu achten; denn es ist ein Teil des Großen und Ganzen, und man darf es
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