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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bei dir ooch nich ganz begreiflich. Ihr Buchbinder steckt eure Nasen doch in so viel Liebes- und Mondscheinscharteken, daß ihr gewöhnlich von eener wahren Wut besessen seid, eure theoretischen Studien ins Praktische hinüber zu modulieren. Oder hat's an der Anna gefehlt?“
    „An welcher Anna?“ fiel Winter ein.
    „Weeste das noch nich?“ rief Gräßler mit einer Gebärde komischen Erstaunens. „Darfst nur 's Fenster offmachen und 'naus horchen. Jeder Sperling pfeift davon, daß er in eenem aristotelischen Verhältnis zu der Kammerzofe der Wanda steht, und das is eben der Grund, daß er heut' nacht so ohne Sang und Klang seinen Hausschlüssel heeme getragen hat.“
    „Ach so! Glaubte, du hättest deshalb verzichten müssen, weil ich dich überboten habe.“
    „I bewahre, Emil! Ich habe off das Fräulein geboten, nich um es zu kriegen; denn diese Art Trauben hängen mir zu hoch, sondern aus reener Malice gegen den Baron, der mir im höchsten Grade zuwider is.“
    „Ich habe an dem Kerl meinen Narren ooch gefressen, eben wegen des Ohrfeigengesichtes. Bei dir aber muß es noch eenen anderen Grund haben.“
    „Den hat es ooch.“
    „Welcher wäre das?“ fragte Winter. „Du wolltest gestern nicht davon sprechen.“
    „Weil een Saal nich der passende Ort is, über Dinge zu reden, die das Zuchthaus in Aussicht stellen.“
    „Alle Wetter, Junge, biste toll! Wer soll denn so 'ne unbegreifliche Inklination zum Wollezupfen haben, du oder der Säumling?“
    „Ich natürlich nich.“
    „So rede doch“, bat der Essenkehrer. „Du weißt nicht, wie wichtig mir deine Mitteilung werden kann.“
    „Na meinetwegen. Ihr sollt's hören, obgleich ich mich ooch irren kann. Als ich vor ungefähr anderthalb Jahren in Paris arbeitete, trat eenes Tages een Herr in den Laden und suchte für die Dame, die er bei sich hatte, so etliches von unseren Galanteriewaren aus. Er bezahlte in Banknoten, die sich später als falsch erwiesen. Trotz allen Suchens is der Mann von der Polizei nich offzufinden gewesen, obgleich es gelang, seine Helfershelfer zu entdecken.“
    „Und du denkst, daß es der Baron gewesen is?“
    „Ich kann mich, wie gesagt, irren, aber die Stimme is dieselbe, und obgleich er damals 'nen mächtigen, schwarzen Vollbart trug, scheint mir sein ganzes Wesen und Gebaren dasjenige zu sein, welches ich an dem Banknotenfälscher beobachtete.“
    „Du machtest mich gestern auf sein Lorgnon und seine Kette aufmerksam.“
    „Ja, das is' eben, was mich in meinem Verdachte bestärkt. Dieselbe Nasenquetsche und dieselben Berloquen sind mir in Paris an ihm offgefallen. Der Mensch trug sich so in die Oogen fallend und benahm sich so widerwärtig vornehm, daß mir jede Eenzelheet an ihm im Gedächtnis geblieben is.“
    „Beabsichtigst du, Anzeige zu machen?“
    „Nee. Wenigstens werde ich so vorsichtig sein, den sogenannten Baron erst noch 'ne Weile zu beobachten, um vielleicht noch mehreres zu finden, was mir Gewißheit gibt, daß er der wirklich is, für den ich ihn halte.“
    „Du? Welche Gründe haste denn zu dieser Überzeugung?“
    „Der wirkliche Baron von Säumen hat in Leipzig studiert und wohnte in dem Haus meiner Eltern bei einer alten Dame, welche sich von der Vermietung möblierter Zimmer an die Wohlsituierten unter den Herren Studenten ernährte. Ich habe ihn täglich gesehen und finde es trotz einer höchst ungewöhnlichen Ähnlichkeit zwischen beiden nicht schwer, ihn von dem Schwindler zu unterscheiden, welcher jetzt seinen Namen trägt.“
    „Also sehr ähnlich is er ihm?“
    „Sehr.“
    „Dann sind se vielleicht Brüder, und unser Verdacht is voreilig.“
    „Dieser Fall ist möglich. Ich werde genaue Erkundigungen einziehen, und nach dem Ergebnis derselben muß sich die Art und Weise unseres Handelns richten. Bis dahin aber müssen wir schweigen. Du hast doch noch zu niemandem über diese Angelegenheit gesprochen?“
    „Is mir nich eingefallen.“
    „Na, Brüder sind se mal nich“, nahm jetzt auch der Schmied, welcher dem Gespräch mit Spannung gefolgt war, das Wort. „Es is mir zwar sehr egal, ob im norddeutschen Gesetzbuch een Paragraph darüber steht; aber een Baron darf keen Ohrfeigengesicht haben; das versteht sich ganz von selber. Wer soll denn einem so hochgestellten Herrn die besagten Ohrfeigen vermitteln, und wenn er meinetwegen zehn Gesichter hätte, die derzu passen und berechtigen? Ich nich, so gern ich es sonst täte, denn mit großen Leuten is nicht gut Kirschen essen.“
    „Du

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