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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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haben. Laßt uns einmal nach oben steigen.“
    Er warf einen forschenden Blick in die Höhe und schien plötzlich zu erbleichen.
    „Seht einmal da hinauf. Liegt nicht etwas Weißes auf dem Brombeergesträuch, welches aus der Ritze wächst?“
    „Das is entweder een weißes Taschentuch oder een zerknitterter Zeechenbogen. Se muß also doch dagewesen sein.“
    „Laßt die anderen noch einmal alles genau durchsuchen und kommt dann nach. Ich muß hinauf.“
    Er eilte zurück durch die vorderen Brüche und stieg dann den Seitenpfad empor, von welchem Gräßler vorhin gesprochen hatte.
    Nicht lange dauerte es, so hatten ihn, trotz der Eile, mit welcher er sich fortbewegte, die beiden Freunde eingeholt, und so schritten sie, mit scharfem Auge die gegenüberliegenden Wände musternd, längs des Felsenrands vorwärts.
    „Hier hat der Altan gehangen, und hier sehe ich die Spuren eines kleinen, weiblichen Fußes im Sand. Sie gehen nicht wieder zurück, also muß sie mit hinabgestürzt sein.“
    „Guck 'mal, Emil, hier sind ooch noch größere Fußtapfen. Die rühren ganz sicher von eenem Männerstiefel her. Sie gehen ooch wieder retour. Wer muß denn das gewesen sein?“
    „Warte einmal, Heinrich. Wir müssen vorsichtig sein und die Spuren ja nicht verwischen. Man kann nicht wissen, was hier geschehen ist.“
    Er bückte sich nieder, um die Fußtapfen einer genauen Prüfung zu unterwerfen.
    „Der Mann hat einen kleinen, zierlichen Fuß und trägt Sporenkasten an den Absätzen. Er ist eher dagewesen als die Polin; denn seht, die Kanten ihrer Spur sind noch scharf, während die seinigen schon eingebröckelt sind. Laßt uns sehen, ob er auf dem Altan gewesen ist.“
    „Nee, er ist hierhergegangen. Alle Wetter, das sieht ja grad' so aus, als ob er immer über den Rand hinweg grad' aus in die Luft hineingeloofen wäre.“
    „Wohl nicht. Hier am Rand häufen sich die Spuren. Er hat also hier Stand genommen.“
    „Das gloobe ich nich. Drei Zoll vom Rande stellt sich niemand her. Auch das schwindelfreieste Auge kann das nicht vertragen.“
    „Du hast recht. Halt! Hier sind zwei runde Eindrücke, wie von Knien, und hier ist der Rand abgerieben. Er ist also über denselben hinuntergestiegen.“
    „Das wäre mein' Seel' een Wagestück, zu dem ich ihm meinen sterblichen Leichnam off keene halbe Minute geborgt hätte.“
    „Und doch ist es so; eine Verwegenheit, wie sie wohl selten zu finden ist, gehört freilich dazu. Jedenfalls hat er eine Strickleiter gehabt. Suchen wir nach dem Ort, wo dieselbe befestigt gewesen ist. Er muß in dieser Richtung hier zu finden sein.“
    „Hier; schau 'mal her. Er hat den eisernen Keil nich wieder 'raus gebracht und ihn also vollends hineingetrieben, damit er nich bemerkt werden soll.“
    „Wart 'mal, Heinrich! Der Keil ist noch neu, wie's scheint; er is aus zwee Stücken zusammengeschweißt; das sehe ich schon, ehe wir ihn 'rausgezogen haben. Das Ding kommt mir außerordentlich bekannt vor.“
    „Wieso?“ fragte Winter erwartungsvoll.
    „Ich habe für Polizeirats eenen machen müssen, und der wird's wohl sein. Der alte Herr hat die löbliche Angewohnheet, sich aus Gesundheitsrücksichten sein Hoolz höchst eegenhändig klar zu machen.“
    „Der Baron wohnt jetzt bei dem Rat. Du hast heute morgen geglaubt, ein Bohreisen in seiner Hand zu sehen?“
    „Ja, aber behaupten kann ich nich, daß es ooch eens gewesen is.“
    „Schon gut. Ihr beide bleibt hier und bewacht die Spuren, damit sie nicht verwischt werden. Ich habe den Stadtrichter unten bemerkt; er mag die Sache näher untersuchen. Es liegt ein Verdacht nahe, und es kann nicht gar zu schwer sein, die Stiefel zu finden, von denen diese Eindrücke hier herrühren.“
    „Du denkst doch nicht etwa, daß der Baron seine eegene Braut –“
    „Ich denke jetzt an nichts weiter als an die Verpflichtung, unsere Entdeckung der Polizei mitzuteilen. Diese mag dann aus dem Gefundenen beliebig weiter schließen.“
    Er entfernte sich und eilte zu der anderen Seite des Bruches unten.
    Wie vorhin, so musterte er auch jetzt mit suchenden Augen die gegenüberliegende Wand und blieb plötzlich überrascht und erschrocken stehen. Etwas von der Höhenmitte der Seitenwand war früher ein von Rissen umgebenes Felsenstück durch irgendeinen Umstand abgelöst und in die Tiefe gestürzt. So hatte sich eine Höhle gebildet, welcher der Same allerlei Unkrauts, welches den Eingang fast verdeckte, vom Wind zugetragen worden war. Und dieses Gestrüpp, welches

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