40 - Im fernen Westen
ist.“
„Gut, gut, Sir; seid der rechte Mann, laßt Euch den Humor durch den Geruch eines Tropfens Indianersaft nicht verderben. Meinte aber dieses Rattenfell hier. Wollt wohl mir es lassen?“ setzte er schmunzelnd hinzu.
„Kann es nicht gebrauchen. Nehmt es!“
„Danke, Sir, danke. Macht mir das größte Gaudium, einen solchen Schnitt tun zu können, meine ich. Habe auch Grund dazu. Da seht her!“
Er riß sich den traurigen Filz vom Kopf und zog dabei die eigene, langhaarige Haut mit ab. Ich erschrak fast über den Anblick, welchen der kahle, blutigrote Schädel bot.
„Was sagt Ihr dazu, Sir, wenn ich mich nicht irre? Hatte meine Haube von Kindesbeinen an ehrlich und mit vollem Rechte getragen, und kein Lawyer (Advokat) hat es gewagt, sie mir streitig zu machen, bis so ein oder zwei Dutzend Pawnees um mich waren und mir die Haare nahmen. Bin dann nach Tekama gegangen und habe mir dort eine neue Haut gekauft. Nannten es eine Perücke und kostete mich zwei dicke Bündel Biberfelle, meine ich. Schadet aber nichts; denn die neue ist zuweilen praktischer als die alte, besonders im Sommer, kann sie abnehmen, wenn mich schwitzt. Aber trotzdem hat manche Rothaut dafür untergehen müssen, und ein Skalp macht mir mehr Vergnügen als der feinste Dickschwanz.“
Während dieser Worte hatte er sich Hut und Perücke wieder aufgestülpt und dem zweiten Indianer die Kopfhaut genommen. Der alte Mann war von mir unterschätzt worden. Er war trotz seiner unansehnlichen Gestalt eine jener eisernen, im Kampf mit den Elementen und in tausenderlei Gefahren gestählten Naturen, wie sie der Westen so zahlreich bietet. Und als er unter derb scherzenden Worten, aber mit von Haß und Grimm verzerrten Zügen und wutblitzenden Augen sich über die Leiche beugte und rasch zuckenden Schnittes mit dem Messer um Stirn und Schläfe derselben fuhr, machte er auf mich den Eindruck der wildesten Unversöhnlichkeit.
Ich wandte mich ab, von jenem vor mir selbst grauenden und der Reue ähnlichen Gefühle erfüllt, welches in den Herzen derer wohnen sollte, welche die stolzen Nationen der amerikanischen Savannen heimatlos und vogelfrei erklärt, mit Gift, Feuer und Schwert gelichtet und zwischen die Cañons der Felsengebirge getrieben haben, wo ihnen nur die Wahl bleibt, ruhm- und ehrlos hinzusterben oder mit kämpfender Hand den Todesstoß zu empfangen.
Vor mir stand Ellen. Ihr Auge ruhte mit einem Blick auf den beiden entseelten Körpern, der mich durchfröstelte und von ihr abstieß, und erst nach und nach, als sie es zu mir erhob, bekam es einen freundlicheren Ausdruck.
„Warum nahmt Ihr den Skalp nicht für Euch, Sir?“ fragte sie. „Habt schon Winnetou einen gelassen.“
Von einem weiblichen Wesen ausgesprochen, war mir diese Frage vollständig unbegreiflich, und ich antwortete deshalb auch nur mit einem Blick des Erstaunens. Auch war hier der Ort gar nicht zu zartsinnigen Bemerkungen; denn hinter jedem Baum konnte die Sehne eines Bogens schwirren oder der Hahn einer Büchse knacken, und es war vor allen Dingen notwendig, das Lager zu alarmieren und die Jäger darauf aufmerksam zu machen.
„Greift zu, Sam; wollen die Indsmen unsichtbar machen.“
„Habt recht, Sir! Ist notwendig das, meine ich. Aber die kleine Miß mag doch ein wenig hinter die Büsche treten; ich wette meine Mokassins gegen ein Paar Ballettschuhe, daß es in kurzer Zeit hier rote Männer geben wird.“
Sie folgte der Warnung des Alten, und ich verbarg mit seiner Hilfe die Leichen, welche wir vorsichtigerweise nicht in das Wasser stoßen durften, unter das Uferschilf. Als wir damit fertig waren, meinte Hawkens:
„So, das wäre getan, und nun geht Ihr mit der kleinen Miß nach der ‚Festung‘ und warnt unsere Leute, während ich diese Spuren zurückgehen werde, um etwas mehr zu erfahren, als die beiden Braunen uns gesagt haben, scheint es mir.“
„Mögt nicht lieber Ihr zum Vater gehen, Sam Hawkens?“ fragte Ellen. „Ihr versteht besser mit den Fallen umzugehen, und vier Augen sehen mehr als zwei.“
„Hm! Wenn die kleine Miß es nicht anders will, so muß ich's schon tun, meine ich; aber wenn der Stock anders schwimmt, als sie es jetzt denkt, so mag ich nicht die Schuld haben.“
„Habt sie auch nicht, Alter! Wißt schon, daß ich nicht gern etwas anderes tue, als was mir beliebt. Eure zwei Skalps habt Ihr; muß sehen, daß ich mir meinen Teil auch hole. Kommt, Sir!“
Sie ließ den kleinen Trapper stehen und wandte sich durch das Dickicht
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