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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wildnis in Urwald und Prärie kühn und furchtlos entgegenzutreten, so scheut man sich natürlich wenig, ihnen außerhalb dieser Wildnis, wenn sie sich in gezähmtem Zustand befinden, zu begegnen.
    Nur das Unerwartete hatte die Reisenden erschreckt. Als man jetzt die Bestimmung der zahlreichen Kästen begriff, lachte man über die Furcht, welche man gezeigt hatte, und bat den Besitzer der Tiere, die Umhüllung der Käfige zu lüften.
    „Well, ich habe nichts dagegen, wenn es euch Spaß macht, Ladies und Gentlemen, ein wenig frische Luft wird den Kreaturen wohltun. Aber fragt den Kapitän; auf eigene Faust darf ich es nicht tun!“ antwortete er und wandte sich dann an den Indianer.
    „Wollt Ihr nicht so gut sein und von Eurem Thron steigen, Mann? Der Löwe ist König und mag nicht gern jemanden über sich leiden!“
    Der Angerufene machte, ohne die Lippen zu öffnen, durch eine leichte, abweisende Handbewegung bemerklich, daß es ihm hier oben ganz gut gefalle und er nicht die Absicht habe, seinen Platz zu verlassen.
    „Nun gut, mir soll es recht sein. Aber beklagt Euch nicht, wenn Euch etwas Ungemütliches passiert!“
    Jetzt brachte man den Kapitän herbei, welcher nach einigem Zögern die Erlaubnis gab, die Käfige auf einer Seite von den Bretterwänden zu befreien. Mit Hilfe der Tierwärter war dies bald geschehen, und da Forster diese Gelegenheit gleich zur Fütterung der Tiere benutzen wollte, so war den Zuschauern bald ein höchst interessantes und unterhaltendes Schauspiel geboten.
    Die Sammlung bestand aus meist wirklich prachtvollen Exemplaren, und ganz besonders war es ein bengalisches Königstigerweibchen, welches die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Das Tier war erst vor kurzem gefangen, von Indien nach Amerika gebracht und von seinem jetzigen Besitzer gekauft worden. Noch ungezähmt und in der freien Wildnis aufgewachsen, bot es einen imposanten Anblick dar und riß durch den Bau seiner gewaltigen Glieder, die urkräftige Geschmeidigkeit seiner Bewegungen und den markerschütternden Ton seiner Stimme zu lauten Ausrufen der Bewunderung hin.
    „Geht Ihr auch in diesen Käfig, Sir?“ fragte einer der Umstehenden den Tierbändiger.
    „Warum nicht? Von außen ist die Bestie nicht zu zähmen, man muß hinein, wenn man ihr Respekt einflößen will.“
    „Aber Ihr riskiert dann jedesmal das Leben.“
    „Das habe ich schon tausendmal getan und bin es also gewohnt. Übrigens bin ich nicht unbewaffnet, ein Hieb mit diesem Totschläger betäubt, wenn er kräftig geführt wird und richtig trifft, das stärkste Tier. Aber ich brauche ihn wenig, die Macht eines echten und rechten Bändigers liegt wo ganz anders. Zuweilen trete ich ohne jede Waffe in die Käfige.“
    „Aber in diesen hier würdet Ihr Euch so nicht wagen?“
    „Wer sagt Euch das?“
    „Nein, das wagt Ihr nicht zu tun!“ meinte, näher tretend, der Besitzer der Equipage, welcher bisher abgesondert von den übrigen die Käfige besehen hatte, während seine Begleiterin, sich vor den Insassen derselben scheuend, nach dem Vorderteil des Schiffes gegangen war und dort über die Sprietverkeilung hinweg in das Wasser sah, welches rauschend am Buge emporschäumte. „Ich wollte wohl tausend Dollars für meine Behauptung setzen!“
    Der Amerikaner hat eine Leidenschaft für Wetten, und wo sich ihm eine pikante Gelegenheit zu einer solchen bietet, läßt er sie sicher nicht vorübergehen.
    „Ihr seid unvorsichtig, Sir!“ antwortete Forster. „Seht, wie ruhig und furchtlos der Indianer da auf dem Käfig des numidischen Löwen sitzt. Glaubt Ihr wirklich, daß ich, der Besitzer dieser Tiere, weniger Mut besitze?“
    „Pshaw!“ (Pah!) machte der Yankee mit verächtlicher Handbewegung. „Bei diesem Menschen ist es nicht Mut, sondern Ignoranz, Dummheit. Hätte er ein Verständnis für das Gefährliche seiner Lage, so würde er bald hier unten bei uns stehen oder sich in irgendeinen Winkel verkriechen. Er kennt ja den Löwen gar nicht. Diese roten Halunken verstehen nur, den Feind zu beschleichen und ihn dann nächtlicherweile und hinterrücks zu überfallen. Aber einer Gefahr offen und frei in das Auge zu schauen, dazu fehlt ihnen nicht weniger als alles.“
    Inn-nu-woh verstand jedes dieser Worte, aber die Züge seines scharf geschnittenen Gesichtes blieben unbeweglich, und kein Glied seines Körpers rührte sich zu einer, wenn auch noch so leisen Bewegung.
    „Ihr irrt Euch in dem Indianer ebenso wie in mir. Wer die Völker der Prärien so

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