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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Aufenthalt in New Orleans für den Weißen gefährlich machen, war eingetreten, und wer nicht von der eisernen Notwendigkeit festgehalten wurde, der beeilte sich, die dünsteschwangere Atmosphäre des unteren Mississippi zu verlassen und die Niederungen des Stromes mit höher gelegenen Orten zu vertauschen.
    Die vorsichtige Aristokratie der Stadt hatte sich längst unsichtbar gemacht. Diejenigen, welche aus Rücksicht für ihr Geschäft noch zurückgeblieben waren, beeilten sich, fortzukommen; denn schon erzählte man sich von mehreren plötzlichen Sterbefällen, und auch ich hatte meine wenigen Habseligkeiten zusammengepackt und stand, das Dampfboot erwartend, am Landeplatze, um nach St. Louis zu gehen, wo Verwandte meiner Ankunft harrten.
    Ned, der alte grauköpfige Neger, welcher als Faktotum meines Hotels mir seine besondere Zuneigung geschenkt und jetzt den Koffer getragen hatte, lehnte neben mir an einem der Eisenkräne, welche bestimmt sind, die ungeheuersten Lasten an und von Bord zu heben, und machte mit grinsendem Zähnefletschen seine drolligen Bemerkungen über die verschiedenartigen Gestalten, welche geschäftig um uns wogten. Da plötzlich packte er mich am Arm und gab mir eine andere Stellung, so daß ich den Blick nach rückwärts werfen mußte.
    „Sehen Master dort Indian?“
    „Welchen? Meinst du den finsteren Kerl, welcher gerade auf uns zusteuert?“
    „Yes, yes, Master! Kennen Master Indian?“
    „Nein.“
    „Indian sein groß Häuptling von Sioux, heißen Inn-nu-woh, sein best Schwimm' in United-States (Vereinigten Staaten).“
    „So, dazu gehört viel.“
    „Well, well, Sir; aber so sein, actually (wirklich) so sein!“
    Ich entgegnete nichts und sah mir den Mann, welcher jetzt in stolzer Haltung an uns vorüberschritt, genau an, sein Name war mir nicht unbekannt, oft sogar hatte ich von ihm erzählen hören, aber immer an der Wahrheit der wunderbaren Geschichten, welche über seine Fertigkeit und Ausdauer im Schwimmen kursierten, gezweifelt. Er war von nicht gar zu hoher Gestalt; aber der Bau seines gedrungenen Körpers und insbesondere die Breite seiner Brust machten mich in meinem bisherigen Unglauben doch etwas wankend.
    In diesem Augenblick kam eine offene Equipage, in welcher ein ältlicher Herr und eine junge verschleierte Dame saßen, dahergerollt. Mit etwas ungewöhnlicher Rücksichtslosigkeit drängte der reichgalonierte Kutscher das Gespann durch die Menge und knallte mit der Peitsche um die Ohren der im Wege Stehenden. Erschrocken fuhren die Leute auseinander, und nur der Indianer schritt ruhig weiter und wich kein Haar breit von seiner ursprünglichen Richtung ab. War ja doch zur Seite Platz genug für den herrschaftlichen Wagen, welcher ebensogut drüben auf dem kurzen Setzpflaster wie hier auf den glatten, breiten Quadern fahren konnte.
    „Weg da vorn, Rothaut, oder bist du etwa taub?“ rief der Rosselenker, und als der Angeredete trotz des lauten und barschen Zurufs ohne sich umzudrehen seinen Weg fortsetzte, fuhr er, die Peitsche schwingend, fort: „Troll dich beiseite, Nigger, oder meine Peitsche zeigt dir den Weg!“
    Obgleich das Wort Nigger die größte Beleidigung für einen Indianer enthält, schien der Voranschreitende dieselbe doch nicht zu beachten, sondern ging langsam weiter. Da knallte die Peitsche, und der Riemen derselben strich dem roten Mann gerade über das Gesicht, so daß die Spuren des Hiebes sofort zu bemerken waren. In demselben Augenblick aber stand der Getroffene auch schon auf dem Bock, riß dem ungezogenen Burschen mit einem von unten nach oben geführten Hieb Lippe und Nase auf, hob ihn dann vom Bock und schmetterte ihn mit solcher Wucht herunter auf die Steinplatten, daß er Hände und Beine von sich streckte und lautlos liegenblieb.
    Diese Bewegungen waren so schnell geschehen, daß der im Wagen sitzende Herr nicht Zeit hatte, seinem Untergebenen zu Hilfe zu kommen; jetzt aber riß er einen Revolver aus der Tasche und denselben auf den Indianer richtend, rief er:
    „Zounds (alle Wetter), Kanaille, das ist für dich, wenn er nicht in einer Minute wieder auf dem Bock sitzt!“
    Ohne mit der Wimper zu zucken oder eine Miene zu verziehen, nahm der Bedrohte die Büchse von der Schulter, legte sie auf den Yankee an, und ganz gewiß wäre es zwischen den beiden zu einer ernsten Tat gekommen, wenn sich nicht einige schnell hinzugetretene Policemen dazwischen gestellt und durch ihr Bitten den Besitzer der Equipage bewogen hätten, die Waffe an

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