40 - Im fernen Westen
vom Stamme der Tetongs angetroffen, welche bereits mit der Büffeljagd beschäftigt war. Nun gilt es als Savannengesetz, daß die Jagd dem gehört, der sie zuerst unternommen hat; anstatt aber weiter zu ziehen, hatten die Dragoner sofort Anspruch auf die Beute erhoben; es war zu einem Kampf gekommen, und die Indianer hatten unter Zurücklassung zahlreicher Gefallenen den überlegenen Waffen der Feinde weichen müssen. Die Offiziere hatten sich gegen mich dieses Sieges mitten im Frieden und auf einem vollständig freien, neutralen Gebiet höchlichst gerühmt, und es war mir nicht gelungen, ihnen eine andere, gerechtere Anschauung beizubringen. Es stand mit Gewißheit zu erwarten, daß die Sioux diesen Friedensbruch rächen würden, und darum hatte ich jetzt, als ich in meiner Nähe das Knicken eines Zweiges vernahm, alle Veranlassung, auf meiner Hut zu sein.
Ich hielt die Augen scheinbar geschlossen, blickte aber unter den gesenkten Lidern scharf hinüber, wo das Geräusch sich hatte hören lassen. Die Bucht war hier höchstens zwanzig Fuß breit, und der jenseitige Rand des Gesträuchs wurde von meinem Feuer hell erleuchtet. Man muß sehr scharfe, geübte Sinne besitzen, um in einer solchen Lage das Richtige zu treffen: oft aber tut der einfache Instinkt mehr als alle Schärfe der Wahrnehmungsorgane. Ich bemerkte, daß einige Zweige langsam beiseite geschoben wurden; zwei dunkelglühende Augen erschienen, schlossen sich aber sofort wieder. Der Mann da drüben war ein alter, erfahrenen Krieger; er wußte, daß man des Abends das Leuchten zweier Indianeraugen recht gut bemerken kann, und ließ die seinigen also nur auf einen Moment aufblitzen. Ich sah ihren Glanz fünf- oder sechsmal erscheinen, dann erhielten die zur Seite geschobenen Zweige ihre ursprüngliche Lage wieder: der Mann hatte sich überzeugt, daß ich allein sei.
Ich hatte nur die Augen, nicht aber das Gesicht gesehen, ich wußte also nicht, ob er sich mit den Kriegsfarben bemalt hatte, ob er sich in friedlicher oder feindlicher Absicht hier befand. Jedenfalls war es geraten, das Schlimmere anzunehmen. War er allein? Befand er sich als Spion hier am Fluß? Oder befand sich eine Indianerschar in der Nähe, die mein Feuer bemerkt und ihn abgeschickt hatte, um zu sehen, wer an demselben lagere? Ich hatte allen Grund, anzunehmen, daß er allein sei. Zum Rekognoszieren schicken die Indsmen gewöhnlich junge Leute aus, die sich üben sollen; dieser Mann aber war alt und erfahren. Ich war überzeugt, daß er sich um die Bucht herumschleichen werde, um unbemerkt an mich zu kommen. Dann trat einer von zwei Fällen ein: Kam er im Frieden, so trat er plötzlich zwischen den Bäumen hervor, um mit stolzem Gruß an meiner Seite Platz zu nehmen und mir zu sagen, daß ich doch vorsichtiger sein möge; kam er aber als Feind, so wurde ich eine Leiche, ohne ihn vorher nur einen Augenblick lang bemerkt zu haben. In beiden Fällen galt es, ihm zu beweisen, daß ich wenigstens ein ebenso guter Westmann sei wie er.
Ich wartete eine Weile, dann schlug ich meine Decke auseinander, die ich ja um mich gelegt hatte, und drapierte sie, aber ohne mich zu erheben oder das geringste Geräusch zu verursachen, so am Boden hin, daß es von weitem den Anschein hatte, als ob ich noch darunter liege; dann nahm ich meine Büchse und kroch in das Dunkel der Bäume hinein.
Er mußte von links herbeikommen; ich fand unter einigen eng beisammenstehenden wilden Kirschensträuchern ein ausgezeichnetes Versteck. Vorhin hatte ich beim Schein der kurzen Dämmerung gesehen, daß man die kleine Bucht recht gut in fünf Minuten umgehen könne; bei dem jetzt herrschenden Dunkel aber und bei der Vorsicht, welche er beobachten mußte, konnte er vor einer Viertelstunde nicht bei meinem Feuer sein.
Diese Zeit verging. Ich hielt die Augen geschlossen: er hätte ja den phosphoreszierenden Glanz derselben bemerken können, und verließ mich allein auf mein gutes Gehör. Es hatte mich noch nie im Stich gelassen und blieb mir auch jetzt treu: Ein ganz, ganz leises, fast unbemerkbares Wehen sagte mir, daß er komme. Es war kein Geräusch, es war nur der Luftdruck, den seine Bewegung hervorbrachte. Und da, da trat auch mein Geruchssinn in Tätigkeit: Es näherte sich mir ein eigentümlicher, unangenehmer Geruch, den ich kannte; der Mann hatte ein Opossum erlegt, ausgeweidet und gegessen. Dieses Beuteltier hat einen schlechten Geruch und wird von den Indianern nur dann gegessen, wenn es nichts anderes gibt.
Weitere Kostenlose Bücher