Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Stand der Dinge keineswegs ein beruhigender Gedanke für mich sein.
    Ich gestehe nämlich freimütig, selbst auf die Gefahr hin, vielerorts anzustoßen, daß ich das bisherige Verhalten der Weißen gegenüber den Roten nicht billige. Auch der Indianer ist Mensch und steht im Besitz seiner Menschenrechte; es ist eine schwere Sünde, ihm das Recht, zu existieren, abzusprechen und die Mittel der Existenz nach und nach zu entziehen. Man halte im Vereinigten-Staaten-Kongreß noch so schöne Reden; man sende dem sogenannten ‚Wilden‘ Missionare, Agenten und alle möglichen anderen Sorten von ‚Zivilisatoren‘, der Unparteiische aber wird die Rede von der Tat zu unterscheiden wissen.
    Der Indianer befand sich im vollständigen Besitz des Landes; er war Herr des Bodens und seiner Erzeugnisse; er lebte auf diesem Boden nach seiner individuellen Art und Weise und befand sich wohl dabei. Keine einzige indianische Überlieferung spricht von einem solchen Blutvergießen, wie es kurz nach der Einwanderung der Weißen begann und noch heute fortgesetzt wird. Die ersten Weißen wurden fast wie Götter aufgenommen und geehrt, aber diese Götter zeigten bald sehr menschliche oder vielmehr unmenschliche Eigenschaften. Man denke nur an die spanischen Conquistadores, welche das heilige Kreuz auf ihren Fahnen trugen, aber Fluren und Felder vernichteten, Städte und Dörfer zerstörten und dadurch, daß sie die Wasserleitungen in Ruinen legten, das Land in eine große Öde verwandelten. Finsterer Zelotismus, fieberhafte Goldgier, Verrat und maßlose Selbstsucht haben das Leben von Millionen friedlicher Menschen vernichtet und unsere Geschichte um die Fortentwicklung einer eigenartigen, wohlberechtigten Kulturform gebracht. So in Peru und in Mexiko. Und in den Vereinigten Staaten? Der Indianer soll sterben, und er wird also sterben, es ist daher unnütz, zu philosophieren; aber man beurteile ihn nicht nach Berichten aus zehnter und zwölfter Hand, auch nicht nach seinen jeweiligen Feindseligkeiten, zu denen er immer wieder getrieben wird; man suche ihn auf, vertraue sich ihm an und lerne ihn kennen! Er ist enthaltsam, gerecht, wahr, treu und tapfer. Hat man ihn betrogen und getäuscht, so verurteile man ihn nicht, wenn er Gleiches mit Gleichem vergilt. Treibt man ihn, ohne ihm Wort zu halten, aus einer Reservation in die andere, so wundere man sich nicht, daß er sich nicht zum heimatlosen ‚Ewigen Juden‘ geboren fühlt, sondern das kleine, ihm zugesagte Stückchen desjenigen Landes verteidigt, welches einst ihm ganz gehörte. Der Indianer liegt im Sterben, tausendfach verwundet und verletzt; sein Scheiden ist kein friedliches; sein Todeskampf ist vielmehr ein fürchterlicher. Das Feuerwasser, die Pocken und andere ähnliche Geschenke der Weißen haben seine Kräfte noch nicht zur Neige gebracht; er, der einstige Riese, ist noch stark genug, manchen Angreifenden im gewaltigem Todeskampf zu erdrücken. Sein hartes Sterbebett ist das Felsengebirge, in dessen Schluchten und Cañons die letzten Kämpfe stattfinden werden. Er weiß, daß die Pueblos, Zunis, Queres und alle, welche sich ergeben haben, den langsamen, ehrlosen Tod des Verschmachtens, der Entartung gestorben sind oder noch sterben werden; er will sterben wie Held Roland, das Schwert in der Faust. Alle die sogenannten friedlichen Indianer verschwinden nach und nach, ohne ihren Namen und das Gedächtnis einer männlichen Tat zu hinterlassen; aber die Comanchen und Apachen im Süden und die Sioux im Norden werden, vertrieben aus ihren Savannen, sich in die Rocky Mountains zurückziehen und Schritt um Schritt im Blut ihrer Feinde waten, bis man den letzten von ihnen niederschlägt. Diese Kämpfe werden jahrhundertelang im Mund ferner Generationen fortleben, und um jeden Schädel, den der Pflug oder der Spaten des Landmanns aus der Erde stößt, wird die Sage ihr Gewebe spinnen, und die Urenkel der Sieger, gerechter als ihre Ahnen, werden dem erschlagenen Indsman ihre Teilnahme widmen und vielleicht auch – – – die Konsequenzen dieses Tot-Schlages zu tragen haben.
    Das ist meine Ansicht als Mensch und als – Deutscher. Was dieses letztere Wort sagen soll, braucht man nicht erst zu erklären, obgleich es nicht im mindesten eine ethische Überschätzung, eine gedankenlose Selbstgerechtigkeit ausdrücken soll.
    Während meines gezwungenen Aufenthalts in Fort Cast war eine Soldatenabteilung nach Westen detachiert worden, um ‚Fleisch zu machen‘. Sie hatte eine Schar Sioux

Weitere Kostenlose Bücher